Sonntag, 9. November 2014

100 Jahre Einheit (respektive Reichspogromnacht)! Herzlichen Glückwunsch, Bunzreplik, Du geile Sau!

bunt, süß und kalt: Der "neue" Kapitalismus!
Wir gedenken unseren Ground Zeros, unseren 9.11. nach europäischer Zeitrechnung. Nach diesen Tagen war nichts mehr wie so wie vorher: 1938 und 1989 - welch schicksalhafte Jahre, welch schicksalhafte Tage! Hier ein kurzer Abriss der Ereignisse:

Wo ich war? 1938 genetisch schon angelegt in den Hoden meiner Großväter, habe ich mit der Reichspogromnacht wohl wenig zu tun. Die Rolle meiner Großväter bleibt mir verborgen. Immerhin war der eine Gendarm und Mitglied der NSDAP. Das hätte ich nicht gedacht. Ich habe es aber erst nach seinem Tod erfahren. Es war bei ihm nicht so offensichtlich wie bei so manchem CDU- oder FDP-Politiker.

1989 war ich schon mündig und habe gewusst, dass die Einheit nicht umsonst zu haben ist. Ganz entgegen der Aussagen der sogenannten Einheitspolitiker. Heiner Geissler (CDU) hat's in den Raum gestellt und wurde deshalb kaltgestellt.

Nicht dass ich aus Kostengründen gegen die Einheit gewesen wäre. Aber auch eine demokratische Zweistaatenlösung wäre gut gewesen. Hat man der ehemaligen Tätärää nicht einfach unser Konzept der Demokratie übergestülpt? Ich denke schon! Dann aber denke ich es auch wieder nicht: Die Neudeutschen aus der Zone haben unseren rheinischen Kapitalismus nie kennenlernen dürfen. Nach dem Beitritt war der nämlich schon passé.

Der rheinische Kapitalismus war so urst gemütlich wie man es sich nicht mehr vorstellen kann heutzutage. Die Gewerkschaften waren damals noch auf der Seite der Arbeitnehmer! Es wurden regelmäßig Gehaltserhöhungen gefordert, und die Arbeitgeber haben nicht wie heute einfach Nein! gesagt.

Sie haben gesagt: Jein! Nicht so hoch jedenfalls! Keine 7 Prozent. Eher so 3! Wegen der Rezession. Oder wegen Wurst oder auch einfach so. Weil: Damals hatten manche Arbeitgeber noch ein schlechtes Gewissen, wenn sie den guten Kaviar ganz alleine gegessen haben und ihre Arbeitnehmer Wurst aus der Dose essen mussten.

Da herrschte noch Anstand. Dann aber kam die Wende und Hitler, entschuldigung, Kohl, hat den sogenannten Runden Tisch erfunden. Und vorbei war's mit dem rheinischen Kapitalismus. Denn plötzlich saßen da alle Arbeitgeber mit Politikern an einem Tisch und haben sich gegenseitig Zugeständnisse gemacht.

Und wie das so ist, wenn sich zwei unter Ausschluss der wirklich Betroffenen gegenseitig Zugeständnisse machen, kommt dabei auch nur Gutes für alle Beteiligten raus: Die Politik hat die durch die Wende ganz arg gebeutelte Wirtschaft unterstützt und die Wirtschaft hat im Gegenzug in Aussicht gestellt, nicht allzu viele Leute zu entlassen.

In Wahrheit hat die Wirtschaft aber gar nicht die Kosten der Einheit getragen. Ganz im Gegenteil hat sie enorm davon profitiert. Die Kosten haben im Grunde so egale Leute wie Du und Ich getragen, aus dem Osten und aus dem Westen. So dumme Leute verdienen es allerdings nicht, eine Arbeit zu bekommen, geschweige denn eine gut bezahlte. Die schlauen Arbeitgeber hingegen konnten ihre Versprechen, die sie der Politik gemacht hatten, aus diversen Gründen irgendwie nicht so richtig einhalten, sonst... die Arbeitsplätze, Sie wissen schon... im Ausland ohnehin billiger... knick knack!

Nennenswerte Gehaltserhöhungen gab es nun nicht mehr: Entweder waren die Zeiten schlecht und kein Geld war da oder die Zeiten waren gut und es mussten Rücklagen gebildet werden für schlechte Zeiten. Es ist nie jemand auf die Idee gekommen, in schlechten Zeiten mittels Rücklagen Gehaltserhöhungen durchzusetzen. Hätte funktionieren können, stattdessen haben wir die Gürtel enger geschnallt.

Die Gewerkschaften haben schließlich begonnen, sich ganz auf die zu konzentrieren, die noch einen Job haben und einigermaßen bezahlt werden. Dabei haben sie alle anderen vergessen, die daraufhin weniger und weniger verdient haben und am Ende gar nichts mehr, weil es keine Jobs mehr für sie gab. Dann hat Hitler, entschuldigung, Schröder, Hartz IV erfunden und alles wurde wieder gut:

Seitdem arbeiten nämlich sehr viele Leute viel für wenig Geld und ein paar Leute arbeiten wenig für sehr viel mehr Geld. Und andere arbeiten gar nicht und haben so viel wie die Leute, die viel arbeiten. Da stellt man sich dann Fragen. Aber wegen der gelungenen Bildungspolitik unserer Bunzreplik halten alle nur noch durch und haben verinnerlicht, dass der beste Lohn immer noch die Arbeit selbst ist und die Anerkennung, die daraus resultiert.

Nur das Nötigste zu haben und nicht dafür zu arbeiten gilt hingegen als verpönt und unwürdig. Solche Leute beuten den Staat aus. Solide Bildungspolitik verhindert dabei, dass die Leute auf die Idee kommen, dass es der Staat und die Wirtschaft sind, welche alle anderen ausbeuten. Der Staat, das sind wir? Da müssen dann alle wieder lachen!

Damit sich Arbeit wieder lohnt, hat Hitler, entschuldigung, Merkel, dann den Mindestlohn erfunden. Der ist eine Zukunftsinnovation, weil er erst 2017 kommt (wahrscheinlich) und dann auch nicht für alle. Ausgenommen sind alle die, die auch schon heute weniger als den Mindestlohn erhalten. Das könnte irgendwie schon wieder putzig sein in seiner Verlogenheit!

Die Einheit ist nun vollbracht: Es wächst zusammen, was zusammen gehört! Keiner hat sich Träumen lassen, wie wenig alles zusammen gehört. Entsprechend findet sich Geld zu Geld und Armut wird geteilt und vererbt. Man könnte an H.G. Wells Zeitmaschine denken, an Morlocks und an Eloys, aber selbst in dieser Dystopie scheint die Welt gerechter: Wenn wir die Reichen doch wenigstens nach einer Weile einfach aufessen dürften!

Stattdessen läuft es so ab: Wohlgekleidete Menschen höherer Einkommensklassen sowie ein paar trächtige Mitteweibchen kommen zu einer Olivenölverkostung zusammen und tunken weißes Brot in die zugegebenermaßen wohlduftende Flüssigkeit. Dazu trinken sie einen Riesling aus zu großen Weingläsern und unterhalten sich ausschließlich über Güte und Qualität der Öle und deren Produktionweise.

Früher hat man den Herstellern diese Schrulligkeit gestattet, schließlich will man ja, dass schmeckt was sie herzustellen gedenken. Heute muss auch noch der Kunde zum Experten werden und sanft mit den Augen rollend Speiseöl goutieren, womöglich gurgeln und über den warmen Abgang und die leicht nussige Note dieses vorzüglichen Öls aus biologischer Herstellung raissonieren.

Ich habe es ungefähr zehn Minuten dort ausgehalten und habe mich dann verdrückt, ohne noch ein Foto zu machen. Gestern konnte ich es noch nicht erklären, was mich eigentlich mehr gestört hatte: das blasierte Getue der betuchten Gäste, der Hype um ein Lebensmittel, das esoterische, pseudophilosophische  Drumherum? Ich sagte mir: Du bist aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht so weit, an einer Speiseölverkostung Freude zu haben!

Heute denke ich: Ich bin innerlich einfach noch nicht tot genug, um mich nicht darüber aufzuregen, wenn erwachsene Menschen ihren Fokus auf etwas völlig Nebensächliches lenken und einem Speiseöl eine beinahe religiöse Bedeutung zugestehen, während sich in aller Welt Menschen auf der Flucht befinden, im Mittelmeer ersaufen oder gleich von einer Horde Irrer vor Ort ermordet werden.

Können Menschen, die völlig ernsthaft Brot ins Olivenöl stippen und darüber philosophieren, über ein politisches (Verantwortungs-) Bewusstsein verfügen? Die wählen doch bestimmt alle die Grünen! Woran erinnert mich das? Ach ja: Kunst setzt ebenfalls blasierte Vollpfosten frei, doch ist Kunst auch immer Ausdruck einer empfundenen Gegenwart und damit auch politisch. Öl hingegen ist doch nur politisch, wenn es aus der Erde kommt und man viel Brumm Brumm damit machen kann. Wo sind die Waffen, wenn man sie mal braucht?

Samstag, 1. November 2014

Trotz Kulturimport, Geschenken und Kindheitstraumata: Knutschen!

Die Welt ist seltsam und fremd! Die Menschen darauf auch! Ich gehe gerne mit C. spazieren. Wenn die Zeit knapp ist, auch durch Friedrichshain. Und manchmal sage ich zu ihr: "Schau mal, es gibt wieder Geschenke!" Denn: Neuerdings steht vor gefühlt jedem dritten Haus ein Haufen Sperrmüll, daran befestigt ein handgeschriebenes Zettelchen mit Blümchen darauf und der Aufschrift: Zu verschenken!

Das ist augenscheinlich nicht nett gemeint. Wer denkt, dass man fremden Menschen mit dem zerfledderten Krimskrams eine Freude macht, hat entweder ein seltsames Verhältnis zu der auch in der BRD vorhandenen Armut oder ist schlicht zu faul, seinen Müll dorthin zu verbringen, wo er hingehört: In den Sperrmüll! In Neukölln wird an der Straße abgestellter Sperrmüll übrigens ausschließlich den Sinti und Roma zugeschrieben: Wenn das mal kein Irrtum ist!

Ebenso merkwürdig ist das über den Umweg der USA zu uns geschwappte irische Kostümfest namens Halloween. In beiden Ländern hat dieses Fest eine gewisse Tradition. In jeder US-Serie taucht mindestens einmal der Moment auf, an dem der ganze Ort an Halloween unterwegs ist und sich gegenseitig erschreckt. Manchmal passiert auch wirklich Gruseliges: Ein Fest für Serienmörder!

In Friedrichshain, tatsächlich Hort protestantischer Enthaltsam- und Spießigkeit sowie spaßfremdelnder grüner Wähler*innen, tauchte gestern immer wieder mal ein anderes, vereinzeltes Kind in gekauftem Hexenkostüm gemeinsam mit seinen Helikoptereltern auf. Dies lief so ab: Die Eltern klingeln an fremden Türen und sagen artig auf: "Süßes oder Saures!" Das Kind ist stets schüchtern oder stumm (oder beides) und versteckt sich hinter Mamis Rockzipfel.

C. und ich sind natürlich nicht vorbereitet gewesen. Halloween gehört nicht zu unserem kulturellen Erbe, daher hatten wir nicht damit gerechnet, sumpfdumme Eltern mit ihrer Brut vor unserer Türe zu finden. Wir husteten also kurz ins Treppenhaus und sagten, dass wir in Trauer sind, weil gestern unser Mitbewohner an Ebola verstorben sei.

Nein, Halloween ist ein uns fremdes Franchise, damit die Erlebnisgastronomie und die Verkleidungsbranche in zeitlich gut platziertes, weiteres Event verbuchen darf. Denn vorher gab es zwischen Sommerferien und Weihnachten gar nichts, mit dem man hätte Geld verdienen können. Deswegen gibt es ja auch die Kneipen, in denen man jeden Tag Silvester, Fasching und Weihnachten zugleich feiern kann. Und nun eben auch Halloween.

Leute, die sonst kein gutes Haar an der USA lassen und jeden Kulturimport von dort der Unzulänglichkeit und des Zionismus zichten, sind plötzlich kaum zu halten: Endlich mal wieder verkleiden und was total Lustiges, Verrücktes tun! Diese Leute, sie sind ganz arme Würstchen, wenn sie so etwas brauchen, um ihrem tristen Alltag etwas entgegensetzen zu können.

Ich selbst habe die ganze Verkleiderei nie ganz verstehen können. Ich war wohl schon immer am Liebsten ich selbst. Ich muss zugeben: Als Kind habe ich mich gerne als Cowboy verkleidet. An Fasching hat man sich nämlich als solcher ausgegeben und dann wilde Schießereien zelebriert. Das hat mich davor bewahrt, in meiner Schule mit echter Munition um mich zu schießen. Es wäre interessant zu erfahren, ob die jugendlichen Amokschützen jüngerer Zeit von ihren Eltern gezwungen wurden, in pädagogisch wertvollen Kostümen herumzulaufen. Waldorf- Education made me a serial killer, my dear!

Manche Eltern zwangen ihre Kinder in Indianerkostüme. Leicht zu erraten, dass in einer durch Western von Gestern sozialisierten Jugend die Indianer erstens böse, zweitens Loser und deshalb drittens schnell tot waren. Meine Mutter, sonst nicht gerade ein pädagogisches Genie, hatte eines Tages die perfide Idee, mich in ein Clownskostüm zu zwingen. Grund: Weil ich bislang jedes Jahr Cowboy gewesen sei und sie das langweilig fand.

Was langweilig ist und was nicht, wusste ich immer selbst am Besten. Verheult und zitternd kam ich als Clown zum Maskenball. Obwohl ich bewaffnet war (Waffenschmuggel), kann man sich leicht vorstellen, dass ein Clown im Wilden Westen ein Opfer verschiedenster Todesarten ist. Cowboys und Indianer, sonst Erzfeinde, verbündeten sich einzig mit dem Ziel, mich auf diverseste Arten umbringen zu können.

Schlussendlich bin ich froh, dass meine Mutter nicht auf die Idee kam, mich als Blümchen oder Prinzessin zu verkleiden. Doch der Clown war schlimm genug: Dass ich danach nicht an meiner Grundschule Amok gelaufen bin, lag nur daran, dass meine Eltern nicht über Schusswaffen verfügten. Eine Axt wäre zwar auch effektiv gewesen, kam aber in Western von Gestern nicht vor. Daher bin ich auch nicht auf die Idee gekommen.

Seitdem habe ich es jedenfalls vermieden, mich zu verkleiden. Es war lange Zeit auch gar nicht nötig: Die Dorfjugend verkroch sich in ihre Jugendzimmer, um sich auf einem Kasten Bier sitzend langsam aber stetig Alkohol einzuflößen. Die Masken fielen, und wir waren ganz wir selbst. Letztlich rappelte ich mich auf, setzte die Maske der Zivilisation wieder auf und ging irgendwann nach meiner Ausbildung studieren. In D. waren leider Mottofeten der Hit.

Ich ging zwar gerne auf Partys, hatte aber keine Lust mich zu verkleiden. Die Menschen um mich herum fanden mich langweilig, weil ich nun mal am Liebsten ich selbst war: Ein Verkleidungsmuffel. Mein einziges Zugeständnis war ein Pappschild, dass ich mir eines Abends umhängte: "Ich bin Pamela Anderson, verkleidet als Holz E. von Bald"* (*Name geändert, die Red.). Selbstredend hat niemand die Genialität dieses Kostüms goutiert noch verstanden. Ich habe dann aber doch noch geknutscht, ganz ohne Dialektik. Das Pappschild hing an der Garderobe.

Montag, 20. Oktober 2014

Gegen den Sumpf des organisierten Elends! Warum ich nicht Regierender Bürgermeister sein will!

Einfach mal Nein sagen
Etwas beleidigt war ich schon, dass die Berliner SPD mich völlig übergangen bei der Wahl zum Nachfolger Wowereits als Regierender Bürgermeister. Einzig deshalb wäre ich gerne gefragt worden, damit ich hätte ablehnen können. Okay, ich war auch mit der Wahl Gaucks zum Bundespräsidenten nicht einverstanden, hätte allerdings lieber mich in dieser Position gesehen.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich völlig recht hatte: Ich wäre eindeutig die bessere und klügere Wahl gewesen. Was sich schon daran zeigt, dass ich über einen weniger abstrakten Begriff von Freiheit verfüge und mich nicht so schmierig in die Rolle des Bundesfeldkaplans bugsiert hätte, nur um völlig unnötig der Rüstungslobby zu gefallen.
Aber Regierender Bürgermeister würde ich nicht werden wollen! Zumindest dieses Mal nicht! Derzeit muss ich leider den Satz sagen, den ich in anderen Zusammenhängen gerne sage: Ich stehe Euch alten Saftpressen nicht zur Verfügung! Das hat Gründe, und bevor ich geshitstormt werde, weil ich keine Gründe angebe, werde ich lieber geshitstormt, weil ich die Gründe nenne!

So oder so brauche ich zwar keine Angst zu haben, denn geshitstormt wurde ich noch nie, was wohl weniger mit meiner moderaten Form der Meinungsmache zusammen hängt als mit der Tatsache, dass von den durchschnittlich 100 Besucher*innen pro Post wahrscheinlich kaum einer den betreffenden Postließt oder einfach denkt: Aha! (völlig emotionslos ausgesprochen). Ein Shitstorm von lediglich zwei verärgerten Shitstormer*innen ist nun mal kein Shitstorm, sondern eher drollig. Nicht, dass es zwei verärgerte Leser*innen jemals auf einmal einen meiner Texte angegriffen hätten. Doch wo bleiben die Vergleiche mit Goebbels?

Zurück zum Thema: Die Apfelernte ist dieses Jahr so dermaßen üppig ausgefallen, dass aufgrund des Handelsboykotts gegen Russland die Apfelbauern wohl verhungern müssen. Doch ich habe die Lösung: Sollen sie doch Äpfel essen! Aus Äpfeln kann man auch wunderbares Kompott machen, und das ist phonetisch mit Boykott ja auch verwandt. Mir tun nur die vielen Russen leid, die nun Äpfel aus eigener Herstellung essen müssen. Das ist ein Skandal.

Nun ist der Bundesregierung löblicherweise noch nicht der Gedanke gekommen, sie können den Nahen Osten mit Äpflen befrieden. Auch ist sie noch nicht darauf verstiegen, die Kurden im Irak mit Äpfeln zu beliefern, damit sie diese bärtigen Irren mit dem Youtube- Fimmel zu Tode äpfeln können. Aber vielleicht sollte man den Ayatollah Erdogan ein paar Äpfel zusenden, deren Genuss soll gut gegen Verstopfung sein, oder unter was immer dieser Idiot (in rein dostojewskischem Sinn) leidet.

Auf jeden Fall sollte Herr Henkel, seines Zeichens Senator für Inneres und Sport in Berlin, ein paar Äpfel verdrücken: Der "Kingpin des Schreckens" tritt nicht nur aus völlig unklaren Motiven für die Bewerbung der Stadt für die olympischen Spiele ein, er ist auch bekannt dafür, gegen das "Verbrechen" gnadenlos vorzugehen: Seine bevorzugten Ziele sind die durch Lobbyisten stark unterstützten Asylbewerber*innen, Linke und Mieter.

Sollen sie doch in die DDR gehen, wenn es ihnen hier nicht gefällt! Und all die Drückeberger, die sich der Verantwortung und der Strafverfolgung in ihrem Herkunftsland nicht stellen wollen und dem mittellosen deutschen Mittelstand auf der Tasche liegen mit ihrem frechen Protest, ja Herrschaftszeiten, wo sammer denn? Frau sein wollen, oder schwul, oder arm,oder gar oppositionell, die Liste ist lang, und dann nicht die Eier haben, sich dem zu stellen und sich stattdessen nach Deutschland zu verdrücken... ehrloses Gsindel! Das!

Gegen diesen Mann hätte ich als Regierender Bürgermeister das Nachsehen. Gegen seine Größe, seine Güte und sein Kalkül wäe ich ein Nichts, ein Niemand. Mir bliebe nur der Alkohol. Also ist so ein Glamour-Ferkel wie der Stadtentwicklungssenator Müller genau die richtige Wahl. Olympic-Frank und Gentri-Michael sind das perfekte Duo: Wo Verbrechensbekämpfung und Gestaltungswille aufeinandertrifft, ist Olympia nicht weit! War On Poverty! Support Your Local Property!

Aber wahrscheinlich wird der Rücktritt des derzeitigen Regierenden Bürgermeister ohnehin auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Vielleicht gibt es bereits einen Termin, an dem der wahrscheinliche Termin des Rücktritts verkündet wird, möglicherweise erfolgt dieser auch etappenweise. Herr Müller wird sich bis zu seiner endgültigen Erööfnung wohl noch etwas gedulden müssen.

Sonntag, 5. Oktober 2014

Das Grundgesetz auf dem Prüfstand! Heute: Das Recht auf freie Zerlegung anderer Personen!

Heute wollen wir mal die ganze Angelegenheit (darauf komme ich noch) von juristischer Seite betrachten. Natürlich habe ich keinen blassen Schimmer von der Juristerei, gehe aber davon aus, dass Gesetze auf Grundlage von Interessensabwägungen innerhalb einer Gesellschaft enstanden sind, ergo immer auch verhandelt sind und verhandelbar bleiben.

Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen innerhalb der bundesdeutschen Grenze die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Dieses Grundrecht gilt eingeschränkt, sollte durch das freie Handeln die verfassungsmäßige Ordnung oder gar das Sittengesetz gestört werden. Schlussendlich dürfen durch die Entfaltung meiner Persönlichkeit auch nicht die Rechte anderer verletzt werden. Das impliziert natürlich Konflikte innerhalb der Gemeinschaft, gerade da wo auch gegensätzliche Auffassungen von der Art der freien Entfaltung einer Persönlichkeit herrschen.

Für Mieter A ist es beispielsweise die ausgelassene Art des Tobens, des Musizierens und des Pflegens außergewöhnlich geräusch- und schwingungsintensiven Gangarten auf der vierten Etage, die das grundsätzliche Verständnis dieses Rechtes darstellt.

Für Mieter B, eine Etage darunter, ist Wohnen möglicherweise mit Rückzug und dem Bedürfnis nach Ruhe verbunden. Nun lässt sich beides nicht miteinander vereinbaren. Deshalb geht Mieter B, seiner Möglichkeit auf freier Entfaltung seiner Persönlichkeit beraubt nach oben, um einen Kompromis zu erzielen.

Mieter B liegt insofern richtig, dass er sein Recht nicht über die Rechte anderer stellt und die Bedürfnisse anderer respektiert. Wahrscheinlich hat er in seiner Miethistorie auch selber mal kräftig daneben gelegen und so manchen Ärger verursacht und schon früher Kompromisse herbeigeführt. Trotzdem begibt sich Mieter B höchst ungern in die vierte Etage, weil das auch irgendwie spießig ist. Aber er kann unter diesen Umständen auf keinen Fall lesen, schon gar nicht schreiben und in die Malerei schleicht sich ein unerwünscht dunkler Ton ein.

Leider sagt Mieter A, dass es nun mal laut hergehe, wenn man ein Kind hat und dass man da nichts machen könne. Den Einwand, dass das Kind wohl am allerwenigsten störe, nimmt er nicht zur Kenntnis. Er ist auch nicht bereit, sein Schlagzeug mit Dämmmaterial zu unterlegen, weil sich in seiner alten Wohnung ja auch nie jemand beschwert habe. Schließlich habe er das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Er fühle sich nun regelrecht eingechränkt aufgrund des impertinenten Versuchs der Verhandlung gegensätzlicher Interessen.

Nachdem Mieter B, der selbst schon 25 Jahre zur Miete lebt (Jubiläum!), der bislang noch nie Grund zur Klage hatte und sich ohnehin etwas schämt, vor der Tür des Nachbarn zu stehen und wie ein alter Mann um etwas Ruhe zu bitten und sein Recht auf ... (Sie wissen schon) einzufordern, plötzlich vor einer verschlossenen Tür steht, steigt in ihm ein Zorn hoch. Der Zorn steigert sich während der nächsten drei Male (also nur da, wo es absolut notwendig gewesen sein mag), bei denen er um Rücksicht bittet, ja bettelt. Selbstredend wird dieser Zorn in Freundlichkeit gepackt, wir sind ja schließlich zivilisiert. Trotzdem nagt schon Hass die Seele an.

Beim nächsten Mal möchte ich an dieser Stelle auf das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit des Individuums eingehen und dessen Verhandelbarkeit überprüfen.

Freitag, 19. September 2014

Den Aufstand proben: solidarisch die Ernte teilen! Salat für alle!

SoLaWi - solidarische Landwirtschaft: Bio-Bauern geben ihre Überschüsse an Zusammenschlüsse von Endkonsumenten ab. Erst mal eine super Sache. Meine Freundin C. gehört einem solchen Zusammenschluss an und koordiniert eine Friedrichshainer Gruppe (hier...).

Das kostet natürlich trotzdem ein Geld. Derzeit wird für eine wöchentliche Ration 80 Euro im Monat veranschlagt. Im Winter gibt es für dasselbe Geld zwei Wochenrationen. Ist an sich nicht viel, man kann eine kleine Familie damit ernähren. Nun ja, je nachdem was es gerade gibt. Für C. bedeutet die Koordination einen zusätzlichen Zeitaufwand, und alle Mitglieder sind dazu verpflichtet, zu regelmäßigen Ernteeinsätzen mitzufahren.

Moment mal: Ernteeinsätze? Reicht es den brandenburgischen Biobauern nicht, ihre osteuropäischen Erntehelfer und Langzeitarbeitslose auszubeuten? Müssen da auch noch idiotische Städter*innen für lau aushelfen? Nur damit die schlitzohrigen Bauern den Anbau verhökern können, mit dem andernfalls Biogas hergestellt oder der sonst unter den Acker gehoben würde? Die Ware ist selbstredend zweite Wahl.

Das ist natürlich ein älteres, lukratives Prinzip geschäftstüchtiger Bauern: Nehmt den verstädterten Primaten ihr Geld und lasst sie dafür etwas Landluft schnuppern, ein Feeling für echte Arbeit bekommen, ihrer Hände Lohn einholen. Dieses Prinzip ist ein zutiefst kapitalistisches und mein Groll richtet sich auf den von Arbeitgebern behaupteten Irrtum, der Arbeitnehmer müsse kein Geld dafür bekommen, wenn er arbeitet, er habe sogar dafür zu zahlen. Arbeit ist Luxus, meine Damen und Herren, und Luxus kostet!

Der Brandenburger hat den Kapitalismus ohnehin schneller und besser antizipiert als es ein durchschnittlicher, westdeutscher Bundesbürger jemals könnte. Er baut Zäune um seine Grundstücke wie die der Landbesitzer in Andalusien und bewacht seine Grundstücke mittels Hund und Schrotflinte. Passanten werden bei entsicherter Waffe beargwöhnt, und der Erleichterungsschnaufer ist nur ein kleiner, wenn der Brandenburger feststellt: Der Passant ist kein Neger und auch kein Zigeuner! Trotzdem bleibt die Waffe sicherheitshalber in Anschlag: Man weiß ja nie!

Warum sollte der brandenburger Biobauer da anders sein? Bauernschlau übertölpelt er die dummen Städter*innen und bringt es sommers fertig, ihnen fünf matschige Salate und ein paar holzige Radieschen anzudrehen, die noch am selben Tag verzehrt werden müssen. Oder er hat 10 Kilogramm Kürbis, die zwar länger halten, aber dafür eine abwechslungsreiche Küche verunmöglichen.

Wann habe ich zuletzt das gekocht, was ich wollte? Ich habe in letzter Zeit das gekocht und gegessen, was weg gemusst hatte. Sicher: Früher war das nicht anders. Das saisonbedingte Lebensmittelangebot führt uns zurück zu vorkonsumistischen Zeiten. Das könnte ein Segen sein, doch leider leben wir in einer völlig anderen Welt: Unser Leben wird bestimmt von Arbeitsprozessen, die im Gegensatz zu einer natürlichen Lebensart stehen. Das soll heißen: Wenn das Leben schon monoton ist, soll doch wenigstens die Nahrung ein Garant für Abwechslung sein! Ich will im Winter eine Orange aus Malta und keinen krüppeligen Apfel vom letzten Herbst, und ein Kohl aus Brandenburg ist kein Ersatz für eine Aubergine aus türkischen Gewächshäusern.

Die herkömmlichen Agrarproduzenten sind natürlich auch allesamt kapitalistische Unternehmen, und neben der Ausbeutung von Lohnabhängigen beuten sie zudem die Natur aus. Ich will hier sogar zugeben: Unter den Ärschen der Agrarzunft ist der Bio-Bauer der mit dem saubersten After! Trotzdem gibt es auch Grenzen. Ich will mich endlich wieder selbstbestimmt ernähren dürfen! Meine Gegner sind die SoLaWi sowie zynische Biobauern. Und C. ist ihr Zuchtmeister!

Sonntag, 14. September 2014

Robuste Mandate für katholische Eiferer aus Polen: Zorn ist eine gerechte Sache, oh Jesus!

Na, da waren wir ja mal wieder sauer letzte Woche. Aber ich finde, einmal die Woche sauer sein ist kein ganz schlechter Schnitt! Ich könnte ja auch täglich sauer sein. Oder wild um mich schießen. Tatsächlich bin ich fast jeden Tag über irgend etwas erbost, muss aber nicht über jeden Furz, der mir quer liegt, berichten. Die sammeln sich auf einer Furzrabattkarte, und wenn die Karte voll ist, dann pupse (um im Bild zu bleiben) ich aus, was als unangenehme Einzelheiten auftritt, aber in der Häufung ein Unbehagen, ja sogar Zorn erzeugt. Zorn soll hier als der große Bruder der grenzdebilen Wut verstanden werden, die sich gegen alles und jeden richten kann und daher, so leid es mir tut, institutionell weggeschlossen gehört.

Zorn hingegen ist immer gerecht. Er richtet sich nicht gegen Minderheiten oder einzelne, sondern gegen Zustände. Sinti und Roma sind keine Zustände und erregen meinen Zorn daher nicht, genauso wenig wie Touristen das tun. Der Tourismus hingegen ist ein Zustand, und deshalb darf man ruhig zornig sein über dessen Auswüchse. Die einzige Minderheit übrigens, auf die mit Zorn reagiert werden darf, ist die Regierung, gleich welcher Zusammensetzung: Sie ist gewählt und verfügt über tatsächliche Macht. Ach ja, und Wirtschaftskapitäne! Beides sind ja auch total bekloppte Minderheiten!

Ganz im Unterschied zu der angeblichen, jüdischen Weltverschwörung, die weder Zustand noch Minderheit ist, sondern rein fiktiv. Was beweist, dass ich Teil der jüdischen Weltverschwörung bin, allein weil ich sie leugne. Aber ich fände es unanständig, Zorn gegen eine Fiktion zu empfinden, vor allem, wenn ich selbst Teil und Gegenstand dieser Fiktion bin. Die Regierung aber ist real, und man darf ruhig zornig sein gegen diese Minderheit und auch gegen die Minderheit der Superreichen, die 1 Prozent, die 99 Prozent der Menschen das Leben schwer machen und damit pathologische Kriminelle sind, die auch irgendwie institutionell weggeschlossen gehören, leider aber diese Institutionen selber besitzen und deshalb lieber andere wegschließen. Habe ich schon erwähnt, dass in dieser Welt einige Dinge dramatisch falsch laufen?

Wut richtet sich fälschlicherweise oft gegen wehrlose Minderheiten und ist deshalb ungerecht. Gut, Touristen sind nicht wehrlos, aber nicht alle Touristen sind Feinde. Nicht jeder Palästinenser gehört der Hamas an und nicht jeder Israeli (Muslime wie Juden) wählen die jeweilige israelische Regierung. Nicht alle Radfahrer sind per se das Böse und manche Autofahrer fahren hin und wieder selber Rad und können nicht zugleich böse und gut sein, nein das geht nicht, zumal es ja auch regierungstreue sowie regierungsuntreue Autofahrer gibt und damit nicht alle Mitglieder einer Regierung böse sein können.

Womit bewiesen ist: Nicht die Menschen verdienen unsere Wut, sondern die Zustände, in denen sie sich bewegen, verdienen unseren Zorn! Trotzdem wird mir nicht verständlich, warum so viele Menschen mit Primark- Einkaufstüten durch die Stadt laufen. Ob dies ein Statement ist? So ein "jetzt erst recht - Fatalismus"? Macht mich das zornig oder nur wütend? Andererseits: Primark zu kritisieren, hieße alle Modeketten zu kritisieren: C&A, H&M, Zara, Nike, Adidas - sie alle lassen unter unsäglichen Bedingungen ihre Ware produzieren. Jedoch hat bislang nur eine Näherin von Primark ihren Hilferuf eingenäht. Was Primark nicht schlechter macht als alle anderen, ein Einkauf bei denen dadurch aber auch nicht besser wird.

Daher verstehe ich nicht, warum zum Beispiel ständig zum Boykott jüdischer Waren aufgerufen wird. Da wird eine ganze Gesellschaft verantwortlich gemacht für die Taten ihrer Regierung, die mitunter - jawohl - auf mein ausdrückliches Verständnis stoßen. Keiner sagt jedoch: Kauf' nicht bei Primark, die behandeln ihre Arbeitssklaven schlecht! Jaja, ich weiß: DAS KANN MAN NICHT MITEINANDER VERGLEICHEN! wird da so mancher rufen und hat aus den falschen Gründen recht.

Ich wette jedoch, dass die israelische Gesellschaft demokratischer, pluralistischer, egalitärer und rechtschaffener ist als so mancher Konzern oder die Hamas es ist. Schon allein dadurch erklärt sich meine Sympathie für den israelischen Staat und meine Antipathie gegenüber solchem Mumpitz wie das IS-Kalifat oder ein von der Hamas regiertes Palästina. Wer, der noch einigermaßen bei Trost ist, kann so etwas wollen, Herrgott nochmal? Meine Sympathie gehört aber noch eher den Bewohner*innen der Region, nicht deren "Anführern".

Meine damalige Freundin C. aus Mannheim, die ich sehr geliebt habe, hatte leider die Tendenz, aus einer falsch verstandenen linken Grundhaltung einen latenten Antizionismus, wenn nicht sogar Antisemitismus zu entwickeln. Früher war die "palästinensische Sache" ja mal eine sozialistische. Davon ist aber nichts mehr übrig. Religion zieht halt mehr als die sozialistische Revolution. Ich war erstaunt und auch sehr enttäuscht darüber, wie wenig differenziert sich ein an sich kluger und liebenswerter Mensch über die Probleme in Nahost äußern kann. Der Großteil der Bewohner dieser Region will vermutlich Frieden und Wohlstand und keine Westdeppen, die über den Unrechtsstaat Israel und den angeblichen Freiheitskampf einer klerikalfaschistischen Vereinigung schwadronieren.

Wenn ich von Angela Merkel eines erwarte, dann Folgendes: Wenn katholische Eiferer aus Polen anfangen, Berlin zu beschießen und die polnische Regierung dagegen nichts unternimmt, dann soll bitte die Bundeswehr die katholischen Eiferer so lange beschießen, bis sie klein beigeben oder alle für ihre ach so gerechte Sache krepieren. Und wenn sie sich in Danziger Kindergärten oder Krankenhäusern verschanzen, dadurch Kinder und Kranke als Geiseln nehmen und uns von dort aus beschießen: So What? Kollateralschäden! Ich will ein robustes Mandat, Frau Merkel!

Die katholischen Eiferer aus Polen würden sich auch mit einer Abtretung aller widerrechtlich angeeigneten Ländereien nicht zufrieden geben, genauso wie eine eigene Staatsgründung darin und ein einseitiger Waffenstillstand eher für die Schwäche unserer Regierung stehen würde und eine Vernichtung der Bundesrepublik Deutschland in den Augen der katholischen Eiferer aus Polen rechtfertigen würde. Zumal wir ja wirklich in einem gottlosen Land leben, mit der CDU an der Regierung. Was an sich auch nicht das schlechteste wäre, aber wer will schon so leben? Unter der Knute eines katholischen Kalifats? Jetzt, wo Ratzinger und Meißner endlich weg sind?

Sonntag, 7. September 2014

Crooked in Friedrichshain #16: Nachhaltige Idioten!

Neukölln ist toll! Friedrichshain hingegen wird Ballermann-Tourismus vorgeworfen. Ich finde, diese Behauptung trifft voll und ganz zu: Von der Warschauer Straße bis nach Treptow und fast bis nach Kreuzberg erstreckt sich eine Partymeile, die man als gebildeter Mensch meiden möchte wie die Katze das Wasser!

Heute morgen gg. 6 Uhr habe ich meine Tochter zum ZOB gebracht und bin am S-Bahnhof Warschauer Straße massenhaft alkoholisierten und nach Clubranz riechenden Menschen begegnet, wahrscheinlich war kein einziger Seßhafter darunter. Der Weg war gesäumt von einem Mischgeruch aus Bier, Pisse und Erbrochenem. Es ist widerlich und ich habe mich sehr vor meiner Tochter geschämt, der ich erklären musste: In Neukölln ist es aber besser!

Während in Friedrichshain die jungschen Vollspackos unterwegs sind, die vorzugsweise aus der (ost-)deutschen Provinz zu kommen scheinen, also das übelste Pack, das man sich vorstellen kann, scheint in Neukölln der Mix aus mode- und kulturinteressierten, anders nervenden Touristen zu bestehen. Klar gibt es auch in Neukölln Clubcrawling und halbnackte, rotgebrannte Schmerbäuche, doch fallen die dort noch auf und damit aus der Rolle. Es sind zwei Welten!

In Friedrichshain denkt sich der Massentourist nichts dabei, auch des Nachts ganze Wohnblöcke wach zu klingeln, weil die Ferienwohnung, in der sich die jugendliche Bagage aus Hinterzutzelbach zu zehnt einquartiert hat, nicht für jeden einen Schlüssel bereithält. Hilft ja nichts, die Klingel abzustellen: Dann wird halt lautstark der Markus oder der Söhnke gerufen, der offenbar alleine in der Wohnung geblieben ist und bereits sediert ist, denn sonst würde der ja mal reagieren.

Was ich nicht verstehe: Wir haben es hier mit einer Generation zu tun, denen das Smartphone qua Geburt an die Stirn getackert scheint. Für jeden Blödsinn gibt es eine App. Warum greifen diese Dumpfbacken ausgerechnet zu solch altmodischen Mitteln wie "Klingeln" und "Rufen"? Das Problem ist: Man darf sie nicht einfach erschießen! Außerdem leben wir offenbar in einer Welt, in der es der Inbegriff der Spießigkeit zu sein scheint, wenn man dienstags um 4:28 Uhr nicht mit Kirmestechno in Open-Air-Lautstärke beschallt werden mag.

Ja, tut mir leid: Ich muss morgens ausgeschlafen sein. Meine Tochter hungert nach Unterhalt, da sind außerdem so leidige Verpflichtungen wie Miete und Essen. Da ist Arbeit angesagt. Nicht jeder hat Eltern, die einen aushalten, und irgendwann sterben die auch mal. Und wenn sie das Erbe nicht für's Altersheim aufgebraucht haben: Die wenigsten Erben können auf Dauer ein solch sorgloses Leben führen. Und die, die es können, feiern bestimmt nicht in Friedrichshain! Das ist auf die Restbestände der Republik abonniert, eine inzestuöse Melange aus Dummheit und Dreistigkeit.

Ja, ja: auch wir haben gefeiert! Und wir waren laut. Aber uns hat auch irgendwie Nachbarschaft noch etwas bedeutet sowie die Bedürfnisse anderer Menschen. Ich will es mal so sagen: Ich erlebe derzeit Dinge, die eigentliche Menschen als selbstverständlich erachten, die hätte ich in diesem Alter noch nicht einmal zu denken gewagt. Liegt es daran, dass zur Erziehung damals nicht nur Förderung, sondern auch Rücksichtsnahme gehörte? Wir haben es hier allerdings mit einer neuen Züchtung zu tun: Resistent gegen alles Soziale, selbstbewusst ohne jeden Grund und mit einer Intelligenz ausgestattet, die alle Ressourcen für das eigene Weiterkommen verbraucht.

Ich höre mich an wie meine eigenen Eltern. Das ist ja gar nicht lustig! Aber ich komme mir eben so seltsam fremdgesteuert vor, wenn alle Welt ihre Egoismen auslebt und ich eigentlich nur dann und wann meine Ruhe haben möchte und nicht darf. Und ich weiß natürlich, dass in Hinterzutzelbach spätestens um 22 Uhr Ruhe zu sein hat und dass das furchtbar öde ist und Berlin die Party bietet und mit all seinen Einwohner*innen ein großes Repertoire an dienstbaren Geistern hat... doch halt:

Nicht jeder Einwohner verdient sein Geld mit Tourismus! Und manche mögen es gar nicht, wenn ihnen dauernd abverlangt wird, zu jedem Blödsinn auch noch gute Miene machen zu müssen. Grundfreundlich ist man zwar, aber auch Hilfsbereitschaft hat seine Grenzen, besonders wenn man sich veralbert fühlt. Aber: Vielleicht wird Berlin demnächst so öde wie alle anderen Metropolen dieser Welt. Seine Anziehungkraft ginge damit endlich verloren. Der Senat und die Bauwirtschaft gehen ja seit Jahren stramm auf dieses Ziel zu und machen alles platt, was mal Initiative gezeigt hat. Vielleicht ist der Partytourismus ein Ergebnis dieser Politik: Gut ist nur, was Geld bringt?

Kultur kommt immer von unten und nie vom Geld, liebe Freunde! Meinetwegen darf Berlin diesbezüglich gerne interessant bleiben! Aber wie interessant ist eine endlose Strullerparty wie sie derzeit in Friedrichhain stattfindet? Wie interessant ist es wirklich, wenn sächsische Hausfrauen rund um die Uhr penetrant lärmen und ihre kahlrasierten, anabolikaverformten Männer die Grünanlagen vollpissen und die Eingeborenen verhöhnen, weil Berlin ja so schau lustig ist? Berlin ist kein Zoo und auch kein rechtsfreier Raum. Und die Stadt enthebt auch nicht von der Verpflichtung eines Restanstandes und vergibt auch keine Freibriefe für Barbarei!

So... uffff... da musste mal raus! Und wer mir nun mitteilen möchte, ich solle mich mal entspannen, dem rufe ich heiter entgegen: Entpannung geht wenn überhaupt nur auf Kosten anderer! Denn das ist ja mein ganzes Problem: Ich bin so nicht erzogen worden, und das ist auch gut so! Wer sich aber einfach zurücklehnt und Fünfe gerade sein lässt, tut dies alleine auf dem Rücken anderer. Denkt mal drüber nach! Wenn Ihr könnt!