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Sonntag, 26. Mai 2013

Geld aus der Zukunft! Zeit ist kein Geld, aber auch gut!

Ich habe so viel zu tun. Deswegen gibt es hier derzeit relativ wenig Text. Doch dazu später. Verwundert hat mich jedenfalls, dass mein letzter Post bis dato 130 Aufrufe hatte, was für meine Verhältnisse viel ist. Dabei ist da nur ein Foto zu sehen mit einer Bildunterschrift. Und statt als Keyword "Porno" oder "XXX" zu setzen, hatte ich lediglich was mit "Bio" gelabelt. "Bio" hat damit "Porno" im Ranking abgelöst. Hurra dafür. Bei Social Media gibt es ja jetzt auch FoodPorn, warum nicht auch bald BioFoodPorn?

Hach, ich bin halt Avantgarde. Das hat sich schon gezeigt, als die Medien die "neuen Angestellten" skizziert haben. Die neuen Angestellten leben nicht mehr für ihre Arbeit, sie burnen noch nicht einmal dafür. Ihnen ist ihr Privatleben wichtiger als Karriere. Nicht nur das: Sie wollen Privatleben UND Karriere. Da gab es keinen verzweifelten Aufruf zur Mäßigung, nein! Die Firmen stellen sich sogar darauf ein, damit sie für die Faulpelze attraktiv werden. Denn in einer verstunkenen Klitsche wollen die neuen Fachkräfte nicht arbeiten. Schlecht für die Work-Life-Balance.

Ich verfolge dieses Prinzip "Tatsch' meine Freizeit nicht an, Chef" schon seit Jahren. Ich habe noch nicht bemerkt, dass sich etwas an der Haltung von Arbeitgebern geändert hat. Eines ist jedoch klar: Je schlechter ein Job bezahlt ist, desto eher wünscht der Arbeitgeber volle Hingabe. Wo des Soldaten Braut sein Gewehr ist, sind des Arbeitnehmers Bräute alle verfügbaren Kommunikationswege, die es dem Chef ermöglichen, direkt darauf hinzuweisen, dass er sich vernachlässigt fühlt. Ich verurteile das.

Ich bin so sehr Avantgarde, dass es noch keiner gemerkt hat. Ich bin sozusagen der unbekannte Künstler, von dem David Bowie alle seine Ideen geklaut hat. Ich bin irgendwie der Schinken, in den sich Lady Gaga eingewickelt hat. Rühmt einer den Schinken? Nein! Ich bin also der, der schon immer sagt: Arbeit ist wichtig, aber nicht so wichtig. Wer arbeitet, kann auch feiern, ein anderes Bonmot. Aber ich profitiere nicht davon. Das tun erst die neuen. Die Geschichte wird mich vergessen. Die Lohnarbeit hat mich schon vergessen.

Es wird ohnehin zuviel gearbeitet. Das hat Folgen für die Qualität, finde ich. Weil alles huschhusch gehen muss, wird auch viel gestümpert. Das wäre jetzt eigentlich ein Plädoyer für mehr Arbeitszeit, ist es aber nicht. Ich bin ja gerade sozusagen freigestellt von einer Erwerbstätigkeit. Was nicht heißt, dass ich nichts tue. Ich übe ein bis zwei Nebentätigkeiten aus, die ich selbstredend mit der Arbeitslosenverwaltungsagentur abrechne. Es ist viel Arbeit. Warum ist es viel Arbeit? Weil ich mir die Zeit nehme, die ich brauche. Und damit mache ich es richtig. Und zwar richtig gut.

Im Freitag, der Wochenzeitung des latent antisemitistischen Herausgebers Jakob Augstein, ist heuer ein Special über die Zeit (nicht die "Zeit") drin. Da wird unter anderem die Frage gestellt, warum wir in Zeiten der Deindustrialisierung immer noch nach der Stechuhr arbeiten und warum wir nicht unsere Zeit von denen einfordern, die so tun als würden sie sie uns bezahlen. Ja, gute Frage. Andernorts wird kolummniert, wie eine Woche Arbeit aussehen kann. Sie wird dort "Lebenszeit" genannt und klingt nicht schrecklich. Es wird ein Arbeiten mit Muse skizziert, in der die Dinge trotzdem erledigt werden, nur halt nicht im Büro. Sondern daheim, zwischen Bügeln, Latte Macchiato und Kinderversorgung.

Das Pensum wird erarbeitet, nicht das herumhocken in einer miefigen Stube mit Formularbespaßung. Das klingt gut. Ist es auch. Ich weiß das. Ich mache es seit sechs Monaten genauso. Gut, ich arbeite weniger für Geld. Ich engagiere mich zunehmends ehrenamtlich. Ich bilde mich fort, ich bereite Seminare vor ohne für die Vorbereitung bezahlt zu werden. Ich überlege, ob ich einer alten Dame vorlesen soll und ob ich das schaffe. Irgendwie bin ich auch noch in die Planung einer Messe für Ökologie und Ökonomie reingerutscht. Ich kümmere mich um Dinge, die mich interessieren.

Und ich erledige sie mit dem nötigen Respekt vor der Sache: Ich nehme mir Zeit für sie. Ich hetze nicht mehr durch die Stadt, ich gehe in Ruhe einkaufen und koche im Zustand voller Konzentration. Wenn ich einen Text zu schreiben habe, so what? Wann ist Abgabe? Krieg' ich hin! Prokrastinieren, aber nicht vergessen ist die Zauberformel. Was nutzt es, auf einen Bildschirm zu starren, wenn man innerlich leer ist? Dann nichts wie ab ins Café und ein paar Vögel beobachten. Vielleicht brauche ich eine neue Hose? Na, die Zeit nehme ich mir. Und wenn ich nichts finde, dann vielleicht morgen? Oh, jetzt fällt mir was ein: Nichts wie nach Hause und an den Computer. Na, vielleicht noch ein Eis vorher...

 Wer davon redet, dass Einkaufen oder Haare fönen keine sinnvolle Tätigkeit ist, weil nicht entlohnt, der sollte nachprüfen, ob er noch lebt! Was wichtig ist und was unwichtig, entscheide immer noch ich. Da ist es geradezu logisch, wenn ich meine Zeit nach meinen Prioritäten einteile. Ich bräuchte jedoch tatsächlich ein Zeitmanagement. Denn das ist das Absurde daran: Ich komme kaum zurecht mit meiner Zeit, so viel habe ich zu tun. Und das ohne von nennenswertem Geld dafür zu reden. Und ich habe fast Angst davor, dass ein neuer Job mir meine gerade erst erworbenen Freiheiten wieder nimmt.

Nach 27 Arbeitsjahren habe ich erstmals das Gefühl, dem nahe zu kommen, was ich als sinnvoll erachte. Ist das nichts? Ich finde, das ist was. Und ich wünsche die Entdeckung der Zeit und der Muse jedem, der bereit ist, auf Nippeskonsum zu verzichten. Arbeit wird überschätzt. Und auch der Konsum. Besonders interessant ist es zu entdecken, was man alles nicht braucht. Und das trotzdem hergestellt und verkauft werden will. Muss. Wer's nicht kaufen will, bei dem muss das Bedürfnis geweckt werden. Wer kein Geld oder nur wenig hat, ist fein raus!

Und damit sind wir bei der Frage angekommen, weshalb es Wachstum geben muss um jeden Preis. Jemand hat mir mal eine unschlagbar einfache Antwort gegeben, die ich nicht so unschlagbar wiedergeben kann: Der Markt leiht sich Geld aus der Zukunft. Dafür muss ein (Gegen-)Wert in der Zukunft erarbeitet werden, der immer höher sein muss als der heutige (gibt es sie nicht, die Future-Bonds?). Fällt das Wachstum aus, bricht der Markt zusammen (Spekulationsblase). So what?

Donnerstag, 18. Februar 2010

Zeit für ein paar Annahmen! Das Lob des Tellerwäschers!

Angenommen, jemand aus meinem Dunstkreis hätte eine großartige Idee, nur leider nicht die nötigen Mittel, um diese umzusetzen. Die Idee teilt er mir mit. Ebenfalls angenommen, ICH (bruhaha) hätte die Mittel, um dessen Idee umzusetzen, TÄTE dies auch und würde ihn NICHT am Umsatz beteiligen: Ich wäre gestorben für diesen Jemand?

Angenommen, ich lauschte mir beim Abendessen vom Nachbartisch eine Idee ab, sicherte mir diese und setzte sie dann ganz sorglos um, verdiente gar Millionen damit. Selbst wenn ich meinem Dunstkreis gegenüber zugäbe, dass die Idee nicht von mir stammte, würde ich Anerkennung für die schnelle Reaktion ernten?

Angenommen, einer meiner Kollegen hätte eine Spitzenidee und ich reichte diese beim Chef ein, bekäme eine Prämie dafür oder eine Beförderung. Oder meine StudentInnen erarbeiteten mein Projekt, dokumentierten und belegten es, und ich erhielte einen Wissenschaftspreis nach der Veröffentlichung der Ergebnisse. Alles noch im Rahmen?

Angenommen, ich besuchte kleine Clubs und durchforstete sie nach neuen Trends, nähme mich ihrer an. Angenommen ich sei Madonna oder irgendein anderes Pop-Chamäleon, das gerühmt wird für die besonders innovative Aneignung avantgardistischer Musik, während die eigentlichen Innovatoren weiterhin einem sauöden Job nachgehen müssen, um ihre Existenz zu sichern. Ist des Stars Lob auch das des Tellerwäschers?

Angenommen, ich fügte - wie so viele Autoren übrigens - fremde Textbausteine in meinen Text ein und nennte dies Cut-up -oder Samplingtechnik. Dabei wäre es mir vollkommen egal, ob ich die Textstellen von etablierten oder von unbekannten Autoren verwendete, weil es ja der Kunst alleine diente und etwas Neues daraus entstünde. Ist das Wort des Benutzten dann weniger wert oder mehr?

Angenommen, ich dächte: wer umsonst oder für wenig Geld arbeitet, egal ob er schreibt, Musik macht, malt oder sich einfach der falschen Person mit der richtigen Idee anvertraut, ist schon selber schuld, wenn er die Obhut über sein geistiges Eigentum verliert. Er stünde wesentlich besser da, käme er aus betuchtem und gekünsteltem Haus. Selber schuld, wer keine Connexxions hat und auch kein Geld?

Angenommen, ich regte mich etwas über das extrem wohlmeinende, aber an der Sache vorbeigehende, dreiseitige Special über Helene Hegelmann in der ZEIT auf. Und angenommen, es ist tatsächlich üblich zu klauen respektive fremdes Material zu verwenden: Wenn "Reiche" bei den "Armen" stehlen oder verwenden, dann ist das nicht zwingend Kunst, sondern in erster Linie Kapitalismus! Deshalb: Nehmt's den Reichen und gebt's den Armen. Oder zahlt Letztere für den verwendeten Geist aus. Das ist wenigstens sozial! Und das sollten auch 17jährige schon gelernt haben!