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Dienstag, 30. Juli 2013

Tolle Typen #1: Ethik am Arsch! Aus den Sterntagebüchern des Roland Tichy

Roland Tichy ist schon so einer. Optisch gleicht er einer Mischung aus Petzi, dem Bär und einem Uhu. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen: Er ist ein harter Hund, der genau weiß, wo's lang geht! Und in seiner Funktion als Chefredakteur der Wirtschaftswoche hat er auch ein Forum, um seine Erkenntnisse los zu werden, ganz chefredakteurenhaft im Editorial. In der Wirtschaftswoche heißt das Editorial aber nicht Editorial, sondern "Tichys Totale" (Wirtschaftswoche Nr.26).

Roland Tichy, eine Art ultrakonservative Ausgabe seines Namensvetters Ion, verfügt leider nicht über ein Raumschiff, mit dem er die Weiten des Alls erkunden könnte. So sieht sich Roland Tichy als Botschafter einer heilen, also allein wirtschaftlich operierenden, vom Pragmatismus (wessen?) beseelten Welt. Seine Mission findet gezwungenermaßen auf der Erde statt. Immer mit den Füßen auf dem Boden der Realitäten, meine Herren. Mit den Füßen aber auch in Europa, um genauer zu sein. Oder in der BRD, um exakt zu sein. Mit dem Herzen jedoch überall dort, wo die Wirtschaft frei und radikal sein darf! Also nicht in Europa. Das will er ändern und steckt seine spillerigen Fingerchen in die offene Wunde europäischen Versagens, die er zuvor mit schmutzigen Fingernägeln aufgepult hat.

Europa, so Roland Tichy, und die BRD: Sie machen alles falsch! Kein Wunder, dass der Ami und der Chinese und der Russe und überhaupt alle, die nicht zu Europa gehören, die Nase vorn haben. Denn Europa sitzt wie ein Kaninchen angststarr vor der Schlange. Europa, also die BRD, hat Angst vor der eigenen Courage. Daher können die anderen mit Europa, und Europa ist ja schließlich auch ganz viel BRD, machen was sie wollen. So geht das aber nicht! Nicht, solange er noch in Talkshows sitzen kann und Europa, also der BRD, den Kopf waschen kann.

In Europa, also der BRD, geht ganz viel immer nicht. Weil da immer so viele Bedenken sind: Bedenken wegen Gentechnik. Bedenken wegen Datenschutz. Bedenken wegen Wirtschaft. Bedenken wegen Drohnen. Bedenken wegen Umwelt. Bedenken Bedenken Bedenken! Immer nur diese Bedenken! Und dann die Ethikkommissionen. Entschuldigung: Eine Gesellschaft, die sich eine Ethikkommission leistet, muss wohl vollkommen degeneriert sein. Es muss heißen: Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft! Mein Reich komme. Dein Wille geschehe.

Denn was kümmern ihn die Bauern in irgendwelchen Ländern, die in die Abhängigkeit von Genmanipulierern getrieben werden? Und das Risiko! Welches Risiko? Und was kümmert ihn der Datenschutz, vor allem wenn der Herr Pofalla und der Herr Friedrich (Arsch und Friedrich) und der Herr Schily den besorgten Bürger einmal als antiamerikanisch, ein anderes Mal als hysterisch bezeichnen, weil: das ist doch alles gar nicht so schlimm. Die NSA speichert ja nicht, sie filtert doch nur. Und was soll denn die Bankenregulierung bitteschön? Wir wissen doch alle, dass Banken nur ohne Aufsicht zu Höchstleistungen in der Lage sind!

Einwand: Häh? Bis dato wusste ich gar nicht, dass Banken in Europa, also der BRD, reguliert werden. Ich dachte bislang, dass die Banken direkt und indirekt "stabilisiert" wurden und sich daher, quasi in Selbstverpflichtung, wie man das hier gerne nennt, ein bisserl zurückhalten sollen. Schon wenige Monate nach dem Beginn der Wirtschaftskrise aber knallten die Champagnerkorken schon wieder und horrende Boni wurden ausgeschüttet. In den USA übrigens, da werden die geretteten Banken tatsächlich reguliert. Aber dies nur am Rande.

Was Roland Tichy nun so richtig wütend macht: Weil Europa, also die BRD, nicht Gen darf von wegen Ethik und so, und immer so ein Gedöns macht wegen allem Möglichen und nichts Besonderem und deshalb nichts hinkriegt, gehen alle, die was können, weg. Und dann kümmert man sich halt woanders d'rum und dann sind die anderen wirtschaftlich sowas von im Vorteil. Also fordert Roland Tichy, man solle endlich die doofen Bedenken abschaffen, diesen ganzen humanitären Quatsch, dieses Ethikgedöns, diese Nachhaltigkeitssoße (Umwelt! Welche Umwelt?), damit Europa, also die BRD, erblühe im Glanze dieser zerschundenen Welt. Können statt Betroffenheit! Umgekehrt zwar attestiert er es Europa, also der BRD, doch wünscht er es sich so herum. Schöner hätten das nur noch die Erbauer der Konzentrationslager ausdrücken können. Ethik am Arsch!

Unfreiwillig offenbart Roland Tichy damit das Wesen des kapitalistischen Wirtschaftssystems: Es ist ein kleines, verzogenes Balg, dass von seinen Eltern eine Waffe einfordert, bloß weil seine Freunde in der Schule auch eine haben. Der verwöhnte Knilch kriegt die Waffe aber nicht und bezichtigt seine Eltern nun der Bedenkenträgerei. Wie schön wäre es, wenn auch er Angst und Schrecken verbreiten könnte. Und nun darf er nicht. Ungerecht! Dieses Wirtschaftssystem ist eine Geschichte aus dem Kindergarten der Menschheit. Erwachsene tun sowas nicht! Sie denken an die Zukunft!

Wenn ich etwas an Europa, also der BRD, gut finde, dann ist es die Tatsache, dass Überzeugungen manchmal doch noch über den Pragmatismus triumphieren. Und man damit eine gewisse Reife zeigt: Nämlich nicht jeden Mist mitzumachen, bloß weil alle anderen es auch tun. Fracking etwa. Wobei da das letzte Wort noch nicht geprochen ist. Roland Tichy findet Überzeugungen freilich doof, er zieht den Pragmatismus vor. Damit ist er ganz dem altertümlichen Glauben verhaftet, dass sich die Wirtschaft immer wieder selbst reguliert, und das nur zum Besten der Menschheit. Er scheint ja auch nicht mit den entsprechenden Risiken leben zu müssen. Er ist ein Kindskopf, der den Erwachsenen mimt! Und das macht ihn zum tollen Typen! Das muss man einfach sagen dürfen!

Dienstag, 28. Dezember 2010

Lass uns brennen! Altersradikalität mit Salonattitüde!

Was ist verträglicher für das Klima? Ein brennendes oder ein fahrendes Auto? Mit dieser Frage gehe ich ins nächste Jahr, älter, aber nicht unbedingt klüger. Sollte sie zuungunsten unversehrter Karossen beantwortet werden, sehe ich ganze Straßenzüge brennen. Diese Antwort wird jedoch ausbleiben, und im Zweifelsgrund fährt man mit dem tollen, neuen und umweltfreundlichen Sprit "Super E10" durch die Lande. Autos würden Felder abgrasen, wenn sie könnten.

So soll die CO2-Bilanz verbessert werden, denn der neue Kraftstoff enthielte deutlich mehr Ethanol aus Pflanzen als herkömmlicher Biosprit. Leider könne dieses Ethanol die Motoren und Benzinschläuche älterer Fahrzeuge angreifen. Leider müssen daher noch mehr Wälder in den rohstoffliefernden Ländern gerodet und mit Monokulturen bepflanzt werden. Was wiederum schlecht für die CO2-Bilanz der entsprechenden Länder ist. Was ist der Nutzen von Biosprit? Ein völlig unbegründetes, gutes Gewissen des Verbrauchers? Geld für die Anleger? Biosprit kann man jedenfalls nicht essen, nur in die Luft blasen. Wer der Umwelt etwas Gutes tun möchte, der lässt seine Dreckschleuder stehen und geht  zu Fuß. 

Nun: Zugfahren geht derzeit auch nicht richtig. Eben habe ich noch Werbung im Radio gehört: "Die Bahn macht mobil!" Zwei Minuten später höre ich einen Nachrichtensprecher sagen, dass der Fernverkehr der Bahn völlig eingestellt ist. Der Grund: Es liegt etwas Schnee, und die letzten Gleisarbeiter hat die Bahn erst kürzlich überfahren. Vielleicht stimmt das alles auch gar nicht. Ich höre neuerdings bei Nachrichten nur noch mit halbem Ohr zu, anderthalb Ohren halte ich mir zu. Was ich nicht weiß, kann mich nicht mehr belasten. Und den kleinen Rest, den ich mitbekomme, kann ich interpretieren wie ich möchte.

Wie nachhaltig brennt eigentlich ein Bundesministerium? Und handelt es sich bei PolitikerInnen und LobbyistInnen um nachwachsende Rohstoffe? Ist es schon Altersradikalität, wenn man darüber nachdenkt, sich auf die Straße zu stellen und sich von Wasserwerfern der Polizei ein Auge ausspritzen zu lassen? Ist Radikalität nicht ein Vorrecht der Jugend? Aber woher kommen dann all diese Phantasien über brennende Ministerien und Autos?

Es handelt sich hier wohl um die Bewußtwerdung der Vergeudung der eigenen Jugend. Ich habe mich lieber im Karussell der Zurichtung der Menschen mitgedreht, während die Kinder reicherer oder gebildeterer Eltern eifrig dagegen protestiert haben. Dafür drehen die sich nun im Karussell und ich bin nun so ein etwas älterer Salon-Radikaler. Zudem bin ich schlicht zu feige, oder vielleicht auch zu vernünftig, die Dinge brennen zu lassen. Die Brandstifterei überlasse ich unvernünftiger Weise unklugen Ex-Senatoren oder Vorsitzenden der Vertriebenenverbände.

Die wachsen schnell nach und laufen mit hohem Wirkungsgrad. Ihr Brennstoff ist der Hass und der Neid. Wenn dieser Rohstoff dereinst einmal verbraucht sein wird, dann herrscht  ein Frieden. Leider hat offenbar niemand ein Interesse daran. Dazu kommt die Lust der kleinen Leute an der (Selbst-)Zerstörung. Freunde von mir sprechen deshalb bereits von einem neuen, großen Krieg, in dem es um die letzten Ressourcen dieses Planeten gehen wird. Fien de siecle mit 10 Jahren Verspätung? Heißt es dann nicht "Dèbut de siecle"? Oder noch besser: "Dèbut de fin"? So lasse ich Euch mit diesen warmen Gedanken ins neue Jahrzehnt:
Lass uns brennen! (Andreas Dorau)
Und lass uns brennen,
Und lass uns brennen,
traeumen traeumen ...