Samstag, 6. November 2010

Macht mich zum Vorstandsvorsitzenden! Eine Initiativbewerbung!

Ihr lieben, börsennotierten Unternehmen! Ihr habt mir endlich eröffnet, was ich aus meinem so vor sich hin dümpelnden Leben noch alles machen könnte. Fortbildungen, Weiterbildungen und Zusatzstudium, Autodidaktik - dies alles sind Relikte einer vergehenden Zeit, einzig und allein dazu erfunden, Niedriglöhnern das letzte Geld aus den Taschen zu ziehen und ihnen damit zu suggerieren, sie könnten ebenfalls dazu gehören, wenn sie sich nur etwas anstrengen.

Dieser Erkenntnis ist es nun zu verdanken, dass ich mich bei Ihnen um einen vakanten (Vor)Sitz im Vorstand bewerben möchte. Ich bin hinreichend qualifiziert - nämlich gar nicht im eigentlichen Sinne. Ich verfüge garantiert über keinerlei Fachkenntnisse, dafür besitze ich ausreichend gefährliches Halbwissen. Damit bin ich laut dem Analysten Tiemo Kracht überdurchschnittlich qualifiziert zum Vorstandsvorsitzenden. Außerdem bin ich weiß, männlich (also kein sogenannter Schlitzpisser mit Befindlichkeitsscheiß' im Hirn) und habe meine Lebensmitte voraussichtlich schon überschritten. Ich könnte also als Grande Dame des Wirtschaftslebens durchgehen, würde man mich nur lassen.

Hinzu kommt: Ich bin mindestens genauso beliebt oder unbeliebt wie die in die Wirtschaft strebenden Politiker, vielleicht nur noch nicht ganz so bekannt. Vernetzt bin ich jedoch, und zwar unter Garantie mit einigen Ihrer Kunden Ihres Unternehmens, dass ja auch alsbald MEIN Unternehmen unter MEINEM Vorsitz werden wird. Allein der Vernetzungsgedanke scheint Ihrem Unternehmen keine Sicherheit gegen den vorübergehenden Absturz Ihres Aktienkurses zu bieten.

Vielleicht wäre es gerade deshalb besser, einen unbekannten, unverbrauchten Jemand zum Vorsitz zu bestimmen. Sollte der Kurs trotzdem fallen, kann der Wert des Unternehmens durch Entlassungen wieder hergestellt werden. Ohnehin finde ich: Es gibt viel Arbeit, jedoch auch viel zu viele Menschen, die sie sich teilen. Das muss anders werden. Beschäftigungsgerechtigkeit entsteht doch nur durch ständige, offensive Personalverheizung und Neueinstellung. Die Kosten für Heilung und Verteilung übernimmt der Bund. Jawoll: Kosten/ Verluste sind zu sozialisieren und Gewinne zu privatisieren. Das ist zwar etwas platt, aber die Aktienkurse sollten damit rasch wieder ansteigen?

Habe ich schon erwähnt, dass ich gut aussehe? Allein dadurch werden mir die Herzen, ja die Sympathien von Volk und Politik zufliegen. Meine Freundin meint, ich hätte ein süßes Lächeln. Dies gepaart mit etwas Unbarmherzigkeit, da kann sogar der Anitheld aus Patrick Süßkinds "Das Parfüm" einpacken. Gut riechen tue ich aber trotzdem. Und ich bin absolut und jederzeit bereit, meine Reputation und mein soziales Restgewissen für ein angemessenes Gehalt zu opfern. Das tue ich schon eine ganze Weile, in diversen mies bezahlten Jobs. Dann kann ich das doch auch für IHR Unternehmen für viel mehr Geld tun.

Ich kann Ihnen soviel sagen: So wie ich in der Lage bin, ein Bundesland zu regieren, so kann ich auch Ihr Unternehmen führen. Und ich werde Ihr Unternehmen genauso so lieben wie ich mein Bundesland liebe. Und ihm entsprechend meine Treue schwören, das können Sie mir glauben! Und wenn ich mal weg bin, dann freuen sich alle. Das ist so, das war so und wird immer so bleiben. Ganz ehrlich! Also, in diesem Sinne: Wer mich nimmt hat's gut! Für Gespräche stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Wenn es dann noch Häppchen gibt, na prima: her damit! Danke für Ihr Interesse!

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