Mittwoch, 19. März 2008

Deutschland! Eine Winterreise!

„Des Mannheim sieht abr au net bsonders eiladend aus!“ Gerade sind wir, meine liebe Frau C. und ich, in den ICE Richtung Berlin eingestiegen und erhaschten einen bahn.comfort- Sitzplatz, der uns nicht zustand. Der älteren Dame vor uns musste ich insgeheim rech geben: Der Blick aus dem Zugfenster zeigte Tristesse pur, Industrieaanlagen und Zweckbaufassaden liessen uns frösteln. Nein, man verspürt bestimmt nicht den Drang, in Mannheim auszusteigen! Und ich war sowieso gerade sehr empfänglich für Mannheim- Bashing, da mich einige Tage zuvor eine meiner gefürchteten Provinzdepressionen ereilte und diese mich zwei volle Tage lang ins Bett verwiess. Berlin sollte meine Pille sein und sie schmeckte ganz vorzüglich!

Was man aber gerne mal vergisst: Vom Zug aus gesehen findet kaum eine Stadt Gnade in den Augen des Reisenden. Dem Betrachter bietet sich in den meisten Fällen trostlose Architektur, so als wolle uns die BahnAG darauf hinweisen, dass der Güterverkehr nun mal lukrativer als der Personenverkehr sei und die Schiene eben gerade deshalb nicht durch wunderschöne Stadtkerne führen, sondern durch die Stätten des ständigen Gesichtsverlustes ausgebeuteter Arbeitnehmerschaft.

'tschlands Gebäudeansammlungen sind überdies besonders hässlich. Es gibt ja kaum Städte oder Dörfer, in denen man wirklich leben möchte. Na schön, die Nie- Weg- Gewesenen wissen es nicht besser, sie bevorzugen das Altbekannte. Doch mir kann niemand erzählen, dass einer, der schonmal in einer richtigen Stadt gewesen ist, wieder zurück möchte nach, sagen wir mal, Göttingen. Göttingen hat ungefähr 47 Kirchtürme und ein Eiscafé in der 20m langen Fußgängerzone. Keine Ahnung ob das stimmt. Aber so stelle ich es mir vor. Das mit den Kirchtürmen ist aber wahr, ich habe sie vom Zugfenster aus gezählt.

Es geht aber noch besser! Der Bahnhof in Kassel- Wilhelmshöhe möchte keinen Fremdenverkehr. Ausgewaschener, schmutziger Beton betont den Willen der Stadtväter, und der besagt: Steige hier nicht aus, Fremder! Unsere Gesetze sind hart und das Sozialamt bleibt für dich geschlossen! Dir blüht höchstens das Einmauern bei lebendigem Leibe! Na gut, liebes Kassel, wenn wir derart unerwünscht sind, fahren wir halt weiter. Mir sind Ortschaften sowieso suspekt, die den Reisenden nicht über den eigentlich recht hübschen innerstädtischen Hauptbahnhof empfangen, sondern dazu ein ausgelagertes Auffanglager wie Kassel- Wilhelmshöhe benutzen.

Doch dann fährt man durch die Mitte 'tschlands und wird ganz banane vor lauter Trübsal: Hannover, Siegen, Giessen und wie sie alle heißen, die Städte der Behäbigkeit und des teuer entfernten Graffitos. 'tschlands Mitte ist sozusagen das Auge des Hurrikans namens Leben. Im dortigen Vakuum und in völliger Windstille möchte man nicht einmal begraben sein. Also schnell weiter, Kutscher, fahr' er doch zu! Der Zug frisst sich schnaufend weiter durch das Eisen, und dann kommt Wolfsburg. Ach je!

In der BuRep gibt es tatsächlich kaum vernünftige Städte. Wem fallen außer Hamburg, München oder Berlin noch welche ein? Köln? Okay okay, geht vielleicht noch, aber dann ist wirklich Ende. Wenn Berlin für mich aber die Stadt überhaupt ist und so etwas wie Fulda die unterste Kategorie darstellt, was ist dann eigentlich Mannheim? Ich würde sagen, Mannheim ist irgendwie „mittel“. Und wenn ich das so dahin sage, dann soll das schon mal was bedeuten. Ich bin nämlich sehr wählerisch! Und manchmal braucht es eben eine Reise quer durch 'tschland, um das Bild wieder zurecht zu rücken. Oder anders gesagt: „Vo drausse sieht Mannheim doch gar net so übel aus!“

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