Donnerstag, 13. Februar 2014

Weltradiotag! Und: steinzeitliches Musikerleben erklärt für Digital Natives von Analog Natives!

Na dann feiern wir mal. Weltradiotag der UNESCO [hier...]. Schön. Radio. Hm! Da war doch was? Ach so: Informationen, Kulturauftrag, Musik. Zumindest in der Bunzreplik. Mag sein, dass in der freien und unfreien Welt Radio wirklich eine wichtige Bedeutung hat. Hier definitiv nicht! Entschuldigung: Dumpfbackenradio mit Idiotenappeal, Zufallsgeneratorenmusik mit Nervtötcharakter und ModeratorInnen, die laut mit lustig verwechseln... soll ich weitermachen?

Okayes Radio ist fast nur über das Internet zu empfangen. Okay: Okay finde ich Radio, wenn interessante Inhalte moderiert werden und Musik noch selbst ausgewählt wird. Auch da will ich Expertenkenntnisse. Byte.fm geht da klar, allerdings fehlt der informative Charakter. Flux.fm neigt zu Mainstreamalternative, hat dafür aber ein erweitertes Themenspektrum und ironiefähige, erwachsene ModeratorInnen.

Radio1 verwechselt "erwachsen" mit "langweilig", zumindest was die Musik betrifft. Aufgeregt unaufgeregtes Moderatorentheater mit etwas altbackenen Themen. Diese Dauerberieselung mit jeweiligen Großereignissen (Berlinale, 100. Bruce Springsteen Konzert, Fashion Week etc., alles mit dem Ü-Wagen), lässt feuchte Mittvierzigerhöschen vermuten, deren TrägerInnen nochmal etwas erleben möchten, bevor sie einsargen. Sportübertragungen und Automobilsendungen sollen auch den letzten Idioten hinter dem Ofen hervorlocken. Igitt!

Ach was: Da bleibt nur Nostalgie! Nun also der Teil für Digital Natives, die quasi mit dem iPhone im Arsch geboren sind:

Ich bin ja eher ein Analog Native. In meiner Jugend hat man noch mit Taschenrechnern geprahlt. Nerds hatten klobige Walkmen. Die waren mit Kassetten bestückt. Das waren die damaligen Tonträger. Ich besitze sie heute noch. Die Kassetten wurden mit Musik in langwierigen Verfahren aufgenommen. Nerds konnten bereits mit doppelter Abspielgeschwindigkeit aufnehmen. Ich bin Arbeiterkind und musste eins zu eins überspielen.

Das hieß: Platte aus der Hülle, auf den Plattenteller legen und die Nadel an der passenden Stelle ansetzen, das Tapedeck (Kassettenabspiel- und aufnahmegerät) in den Aufnahmemodus versetzen und den Tonarm herunter lassen. Wenn das Stück zu Ende war, musste man die Stopptaste des Tapedecks bedienen, den Tonarm des Plattenspielers in die Ausgangslage zurückbringen, die Platte in die Hülle stecken und eine weitere Platte herausnehmen usw. usf.

Die Kassetten hatten zwei bespielbare Seiten. Die Seiten waren entweder 30 Minuten oder 45 Minuten lang. Das hat die Sache mit dem Aufnehmen verkompliziert. Zum Schluss galt es Stücke zu finden, die den Rest des Bandes in passender (Rest-)Länge befüllten. Leider stimmten die Zeitangaben auf den Platten nicht immer. Das war dann Mist. Aber Mist, der mit Liebe gemacht wurde.

Ganz früher hatte ich kein Geld für Platten. Da habe ich aus dem Radio aufgenommen. Damals gab es noch keine Privatsender. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben damals noch geahnt, dass nicht alle Jugendlichen grenzdebil sind und haben ihnen mitunter ordentliche Musik vorgesetzt. Dann kamen die Privaten und plötzlich glaubte jeder, Radio müsse entweder total knallig, laut und lustig sein oder eben total staatstragend, von Menschen moderiert, die Ohrstöppsel tragen müssen, damit sie sich nicht selber in den Selbstmord schwafeln.

Vom Radio aufnehmen war mühsam: Dauernd wurde in die Songs hinein- und wieder hinausmoderiert. Dann galt es rechtzeitig Aufnahme- und Stopptaste zu drücken. Das gelang selten, daher musste man oft die Kassette aus dem Kassettenrekorder herausnehmen und das Band mit der Hand etwas zurückspulen. Damit waren die Songs zwar etwas abgehackt, aber die zerschnippelten Stimmen der ModeratorInnen waren weg. Manchmal war man nicht schnell genug und hat die Kassette nicht rechtzeitig im Tapedeck gehabt, bevor der nächste tolle Song lief.

Dann kam der C64 und alles ging den Bach hinunter. Obwohl ich an Musik immer noch Freude habe, ist es irgendwie nicht mehr dasselbe. Nun tauscht man Daten, nicht Platten. Niemand stellt einem mehr Musikkassetten zusammen. Man wartet auch nicht mal mehr gebannt auf das neue Album von ... und wenn man es dann hat, hört man es nicht mehr rauf und runter, sondern 3 - 4mal (wenn es hochkommt) so nebenbei, während man Mails schreibt oder die Wäsche aufhängt.

Die Omnipräsenz von nackten Körpern in der Werbung macht die Menschen sexuell ja eher faul als libidinös, und die ständige Abrufbarkeit von Musik macht phonetisch wahrscheinlich impotent. Oder auch frigide. Empfinde ich beim Hören von Musik noch Genuss oder beruhigt sie mich nur noch? Tja: Quantität ist eben nicht Qualität! Dafür ist der Wein heutzutage um Längen besser als Früher! Prost!

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