Samstag, 13. Juni 2009

Eine Ode an den Anzug! Ballonseidetrainingsanzüge zählen nicht!

Spätestens, seit mich der sonst recht freundliche Wirt nicht mehr erkennen wollte und sich deshalb sein höfliches "... und? Was macht die Kunst?" sparte, ist mir klar geworden, dass noch nicht einmal mehr der zweiteilige Anzug zur Alltagskleidung gehört. Mein Vater hatte wenig Gutes an und in sich. Aber es gibt von ihm nur drei Sorten Bilder aus den 50er und 60er Jahren: Jene, auf denen er entweder seine Motorradkluft, seine Bauarbeiterkleidung oder eben einen maßgeschneidertern Anzug trägt. Man muss sagen, dass er und seine Freunde tatsächlich superb gekleidete Menschen waren.

Dies gab er erst auf, als es später vornehmlich Konfektionsware zu kaufen gab und die sogenannte Alltagsmode damit Einzug in die Garderoben bundesrepublikanischer Haushalte hielt. Am Ende seiner Tage trug mein Vater fast nur noch Ballonseidetrainingsanzüge. Der Stil wich aus seinem Leben wie die Verbitterung darinnen zunahm! Also bitte, liebe Leute, lernt daraus: Wer sein Leben mit Stil führt, dem kommen erst gar keine Garstigkeiten in den Sinn! Tatsache! Und bedenke: Am Anfang jeder Revolution steht ein freiwillig getragener Anzug!

Nun kann man sich heutzutage kaum vorstellen, dass ein Maurer einen Anzug trägt. Man erkennt den Handwerker eher an seiner praktischen Kurzhaarfrisur und dem unausrottbaren MuskelShirt. Dazu trägt er am liebsten Bermudas oder FlickenJeans. Mit ihm ist man modisch am Ende der Fahnenstange angekommen. Einen Anzug trägt er allenfalls zur Kommunion oder zu Beerdigungen, und das auch nur, weil es sich so gehört! Und weil er eben noch kein Mann ist, muss er seine Männlichkeit ganz stark betonen. Leider glaubt er zu wissen, dass Männlichkeit etwas mit Hässlichkeit oder gar mit Grobschlächtigkeit zu tun habe.

Der Flaneur im neuen Berliner "Szenebezirk" Neukölln (oder KreuzKölln - brrrrr) ist leider ähnlich schlecht gekleidet: Er trägt Schlabberjeans zum schmuddeligen Shirt, darunter lugt der Pansen hervor, sein schirmbemützter Kopf ist von einem 5TageBart umflort. Das hält man dort neuerdings für männlich. Ich nenne es allerdings: ungepflegt! Das kommt davon, wenn ProvinzHeinis in die große Stadt ziehen: Das Bier wird teurer und das Stilbewußtsein verreckt elendig. Man muss Berlin vor diesen Waldschraten schützen!

Es ist übrigens der typischen Paschamentalität westdeutscher Prägung geschuldet, wenn aus purer Faulheit vermeintliche Ästhetik wird. Wenig tun und viel dafür bekommen, das ist nicht nur chauvinistisch, das ist kreuzdumm! Doch einfach ein Vollpfosten zu sein genügt offenbar schon, und die Mädels fallen reihenweise in Ohnmacht. Die Frauen aber müssen sich erst aufbrezeln, um als Frau (an)erkannt zu werden. Leider verhält sich das in Mannheim nicht anders: Die meisten Männer hier sind nicht nur schlampig gekleidet, sie neigen auch zu Übergewicht und mangelnder Körperhygiene.

Dass der Autor gelegentlich ebenfalls all diese Attribute in der Öffentlichkeit zeigt, ist nur dem einfachen Wunsch gezollt, beim Kneipenbesuch auch einmal freundliches Bier gezapft zu bekommen und etwas Konversation zu üben. Denn mit gepflegter Garderobe kann er hier nicht punkten. Ein Anzug steht für ein Gutteil der nocturnen Trinkergemeinschaft für Parias wie Bänker und Versicherungsvertreter, oder auch für sogenannte "Schwuchtel". Also für all jene, die sich die Hände angeblich nicht schmutzig machen wollen und sich vielleicht für etwas Besseres halten könnten. Doch steht denen ein Anzug ja gar nicht, eben weil sie ihn tragen MÜSSEN. Es fehlt ihnen jene Souveränität des tragen WOLLENs. Ohne sie hängt man darinnen, als wäre der Kleiderbügel noch nicht entfernt.

Man muss den Anzug als das erkennen, was er ist: Ein bequemes und dabei gutaussehendes Kleidungsstück, das jedem steht, der es in der richtigen Größe besitzt. Der Anzug gibt seinem Träger die Würde zurück, die ihm die Zwänge des gesellschaftlichen Lebens nur allzu oft rauben. In ihm kann man vornehm sein, ohne auf andere hinabzublicken. Er macht seinen Träger eben nicht zu etwas Besserem, evoziert aber leider Minderwertigkeitskomplexe beim ungeübten Betrachter. So wie der größte Homosexuellenhasser selber latent homosexuell ist, so schämt sich der FashionProll ob seiner Stilabsenz. Er würde so gerne gut aussehen, glaubt aber, das nicht zu dürfen. Eigentlich hasst er ja nur sich selber!

Doch ist Suitophobie gar nicht vonnöten. Es war selbst in den Tagen, als Punk brach, üblich, im Anzug Pogo zu tanzen. Noch früher prügelten sich die Mods in ihren Anzügen, ganz stilbewußt. Das wird gerne vergessen und verdrängt von den sogenannten Subkulturen. Auch hier machte sich blöde Bequemlichkeit über das Stilbewusstsein her und gewann: SkaJünger und HillieBillies sehen mittlerweile aus wie pubertierende Südstaatenjungs'n Girls der 50er. BlueJeans und karierte Hemden legitimieren jedoch niemanden dazu, einen Anzugträger schräg von der Seite anzugucken. Denn auch in einem Anzugärmel steckt mal eine harte Faust, ihr Weicheier!

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