Montag, 13. April 2009

Sommersmilde! Mannheim kriegt nochmal 'ne Gnadenfrist!


Eine Steuererklärung zu machen kann sehr gefährlich für Leib und Seele sein. Insbesondere dann, wenn der heimische Schreibtisch nebst einer Gaube, also unter einer Dachschräge, befindlich ist und man eben dieser Fenstereinlassung die Stirn bietet und dadurch eine große Beule davonträgt, die zwar jedem Klingonen zu großer Ehre gereichen würde, aber in bundesdeutschen Städten wie Mannheim sozial arg geächtet ist.

Welche unsichtbaren Schäden diese äußerst sichtbare Verletzung zu verursachen in der Lage ist, ist in diesem Fall noch nicht hinreichend geklärt. Möglich wäre eine Auswirkung auf das Sprachzentrum und damit auch auf die Syntax meiner. Mindestens aber eine Gehirnerschütterung mit Fieberanfällen wird die Folge sein. Appettitlosigkeit. Sexuelle Unlust. Vergrämung der Lebensqualität. Man wird abwarten müssen.

Dabei hat alles so gut angefangen! Seit ich wieder zurück bin in Mannheim, wohlbehalten zwar, doch irgendwie verzweifelt. Verzweifelt an der Tatsache, in dieses triste, kalte, hässliche Mannheim zurückkehren zu müssen, wo doch hier jeder Verwaltungsfachangestellter zu sein scheint, dessen einziger Spaß darin besteht, den jeweils anderen mit Formularvorlagen vollzuschmeißen und Griesgrämigkeit in jede Furche der Kultur zu sähen. Und an dieser Saat würde sogar die zäheste Krähe zugrunde gehen. Womit nicht gesagt sein soll, ich sei eine Krähe.

Ich weinte also noch bittere Tränen am Flughafen von Malta und wäre wohl nicht in den Airbus gestiegen, wenn meine liebe Frau C. nicht in heldenhaftem Mut den ersten Schritt getan hätte, dies schwöre ich bei der Ehre von allem was mir heilig ist, also meiner selbst! Aber seit ich wieder hier bin, geschah dann doch einmal etwas Erstaunliches, beinahe poesiebehaftetes, das ich diesen Gefilden gar nicht zugetraut hätte.

Denn erstens einmal ist das Wetter ja ganz grandios dieser Tage, dafür kann Mannheim aber nichts! Auch dass alles blüht und blumt und grünt in vielen bunten Farben und Grüntönen und dabei gar nicht so sehr nach Auto riecht wie in den Wochen zuvor, als es kalt war, nass und grausam, ist nicht Verdienst der Stadt. Aber dass deren EinwohnerInnen entspannt wirken, in diesen harten Krisenzeiten, und sie den Gemeinheiten, welche ihnen sonst widerfahren, den sonnenbestrahlten Rücken zuwenden, hatte ich so nicht erwartet.

Sogar der karge neue, alte Messplatz hat ein noch nicht völlig abgeschlossenes Update bekommen. Da, wo sonst nur diese seltsamen Glimmstängel herumstanden, dort gibt es nun auch ein paar Bäume. Und der Platz wird wider (meinem) Erwarten tatsächlich angenommen, freundlicherweise nicht nur von kreischenden Kindern und keifenden Müttern am Tag, sondern auch in der Nacht, und jetzt kommt sie, die Poesie des Alltags, von der hier schon die Rede war: Orientalisch anmutende Musiker hatten den Platz annektiert und ließen ägäischen Flair frei, während Punks und Normalos sich dem Feuertanz und dem Alkohol hingaben. Dieses friedliche Event sei mit dem Adjektiv "leicht" umfassend umschrieben.

Geht doch, liebes Mannheim! Eintracht mal ohne Fußball und über ethnische Zugehörigkeiten hinweg. Und um noch einen draufzusetzen: Die Polizei kam erst gegen halb Zwei in der Nacht, und die beiden schienen sich sogar ein ganz kleines bisschen dafür zu schämen, Vollstrecker eines grantigen Nachbarwillens sein zu müssen. Und dieser freundlichen Beschämtheit folgte ein ebenso freundliches Schulterzucken seitens aller Beteiligten, friedlich wurde der Platz geräumt. Da sieht man hinterher doch alles mit anderen Augen.

Sommersmilde möchte ich noch hinzufügen, dass die neue VHS an der Kurpfalzbrücke gar nicht so hässlich ist wie es zu erwarten war. Man müsste jetzt nur noch solche Bausünden wie die Kurpfalzpassage einreißen, ein Gebäude, das es im Dutzend wohl billiger gab: Jedes kleine Städtchen hat ein Verwaltungsgebäude, das genau so eine Fassade, genau so ein Dach hat. Weg damit! Und auf dem Dach der VHS bitte eine Bar mit Neckarblick! Mannheim kriegt 'ne Gnadenfrist!

3 Kommentare:

pfommi hat gesagt…

"(...) wo doch hier jeder Verwaltungsfachangestellter zu sein scheint, dessen einziger Spaß darin besteht, den jeweils anderen mit Formularvorlagen vollzuschmeißen und Griesgrämigkeit in jede Furche der Kultur zu sähen." Na, na, na. Das ist ja wohl eine Formulierung, die der bloßen Lust an der Sprache geschuldet und nicht unbedingt der Realität entlehnt ist, nicht wahr?

Wiesbaden? Von mir aus. Bonn? Früher zumindest schon. Aber Mannheim als Stadt mit dem zweifelhaten Flair einer Verwaltungsmetropole? Nein.

Schließlich hat Mannheim als Arbeiterstadt den hart erarbeiteten Ruf als "proletenhafteste aller bundesdeutschen Universitätsstädte" zu verteidigen. Demenstprechend schämt man sich hier auch eines blauen Auges oder eben einer "klingonischen Beule" nicht wirklich...

Gruß
pfommi
(Mit-Mannheimer)

holz e. von bald hat gesagt…

Hast ja recht! Ich meinte auch eher den missgünstigen und besonders ungeduldigen Habitus, der einem hier so manches Mal entgegenschlägt. Mit-Mannheimer (hihi), das hört sich so leidend an?
Grüße
Holger E. Karst

pfommi hat gesagt…

Leidend? Nö, nicht wirklich. Ich finde es durchaus angenehm in Mannheim zu wohnen, zu arbeiten und vor allem zu leben. Und das obwohl ich nach Ansicht der hiesigen Ureinwohner auf der falschen Rheinseite geboren bin.

Gruß
pfommi
(natural born Pfälzer)