Sonntag, 4. Mai 2008

Die Sonntagsblödigkeit! Ein Text wider die Disziplin!

Mannheim ist beinahe schön, wenn die Sonne mal scheint und der Winter so allmählich scheiden muss. Das Gras auf den Neckarwiesen überwuchert beinahe den Abfall, alles grünt und blüht, so dass es schier eine Freude ist. In einer Stadt gibt es nun erfahrungsgemäß viele Menschen, die diesen Genuss mit einem teilen möchten. Gottlob nicht alle zur gleichen Zeit.

Menschen mit geregeltem Arbeitsalltag müssen auf Sonn- und Feiertage zurückgreifen, wenn sie einmal die zarten Bande eines Sommers touchen wollen. Arbeitsfaulen und müßiggängerischen Menschen aber sei empfohlen, ihren Walk ausschließlich unter der Woche zu begehen, denn die aufgeregte Wachheit des Bohemians korreliert nur selten mit der zivilisatorischen Taubheit des Arbeitsgetiers.

Denn eines ist klar: Wer ein tägliches Allerlei und Ewiggleich erlebt, sich also ständig automatisierten Abläufen aussetzt wie ein Ackergaul seinen Scheuklappen, der brummt auch Feiertags blöd vor sich hin und schaut nicht hierhin und auch nicht dorthin. Heftige Begegnungen sind vorprogrammiert. Manche nennen dieses mechanische Herumspazieren die "große Sonntagsblödigkeit", andere nennen es die "affektierte Diszipliniertheit von niederen Wesen".

Die Disziplin unserer Vorfahren beschränkte sich darauf, Fleischvorräte aufzufüllen, bevor sie zur Neige gingen. Das Leben war hart, und selten wurde jemand älter als sagen wir mal 25 Jahre. Faktisch gab es kaum Großeltern, was aber auch den einzigartigen Vorteil in sich barg, dass der Generationenvertrag ohne Rentenkasse auskam. Unsere Vorfahren kannten keine nine-to-five-Jobs!

Doch dann kamen die Religionen, später die Industrie, und vorbei war's mit dem Lotterleben. Plötzlich gab es Frondienste statt Muse, Schichtarbeit statt Sex. Menschen lernten Berufe und wechselten vom Handwerk zum Verwaltungswesen. Man lernte, aus dem Bett zu steigen, obwohl man gerade keinen Hunger hatte. Zum Zeichen ihrer Knechtschaft trugen die nun Angestellten Schlipse und Krawatten, die allerdings viel länger und schmaler waren als die ihrer Herren. Angeleint wie Hunde und verachtet wie ebendiese verrichten sie noch heute ihr Tagewerk.

Zum Ausgleich für einen disziplinierten Arbeitstag redete man dem Arbeitstier gut zu, erfand eigens dafür die Freizeit und diverse Aktivitäten, mit denen diese zu begehen sei. Voilá, die Freizeitindustrie war erfunden, und die Segnungen allerlei Sportgerätes sollten den Menschen beglücken. Freizeit ist tatsächlich nie etwas anderes gewesen, als die Erholungsphase zwischen zwei Arbeitstagen. Man arbeitet also nicht für die Freizeit, sondern freizeitet für die Arbeit.

Damit man da nicht aus dem Tritt kommt, gilt es, die Freizeit ebenfalls einem strengen Zeitschema zu unterwerfen. Denn Freizeit muss ausschließlich mechanisch begangen werden. Der Wochenplan eines Durchschnittsmenschen zeigt Folgendes: Mittwochs ist Tennis, donnerstags ist Skat, samstags Fußball und sonntags Familie. Oder Fußball. Oder Grillen. Oder Gartenarbeit. Irgendwas Sinnvolles muss es aber schon sein. Wer aber nur faul herumlungert, der taugt auch auf der Arbeit nichts.

So also nicht! Und wenn die Kinder mal wieder Auslauf brauchen oder die Frau unzufrieden ist, geht man auch gerne mal an der Hannelore-Kohl-Promenade in Ludwigshafen spazieren. Dabei ist zu beachten, wirklich gar nichts und niemanden zu beachten. Entgegenkommende Menschen müssen erbarmungslos niedergetrampelt und zu Tode ignoriert werden. Der Blick hat stumpf zu sein um die Unansprechbarkeit der Person zu betonen.

Kein freundliches Wort, kein gütiges Brummeln soll dem Kehlkopfbereich entweichen. Man hat versunken zu sein in die Anschaffungen der nächsten Tage, die Farbe des Wohnzimmerschrankes, den nächsten Arbeitstag, den nächsten Minivan, die Sporttabellen und allerlei anderen Konsum. So muss das sein! Ja, die gute alte Disziplin, sie ist die Scheuklappe der Zivilisation!

6 Kommentare:

red adventrice hat gesagt…

mir scheint, dass ein langer aufenthalt in mannheim einem positiven, optimistischen denken nicht zuträglich ist? vielleicht mal wieder urlaub woanders?

holz e. von bald hat gesagt…

oh ja, das wäre schön - melancholie unter palmen...

red adventrice hat gesagt…

oder optimismus unter plattenbauten? fröhlichkeit am see? hoffnungsvolles am berg? freundliches am wegesrand? ...

holz e. von bald hat gesagt…

freundliches am wegesrand klingt am besten! vielen dank, es geht mir schon besser...
obwohl: eigentlich ging es mir gar nicht schlecht, doch neuerdings werde ich bezahlt für launige texte und mannheim- bashing. ich bin eine ganz schlimme nutte, dass ich das mitmache ...

red adventrice hat gesagt…

ah wunderbar! fürs schreiben bezahlt werden finde ich gut. und das dazu noch leute bereit sind umso besser! (kannst ja manchmal was nettes liebevolles einflechten zur launenerhebung)

holz e. von bald hat gesagt…

ich hoffe, mit dem nächsten text die laune erheblich zu verbessern. ist aber nur eine fingerübung
liebe grüße
holger