Donnerstag, 20. Dezember 2007

Avantgarde sein ist niemals leicht! Eva Herman hat schon gewonnen!

Wer hart geschuftet hat, soll sich auch dafür belohnen! Getreu dieser Maxime ging ich heute "in die Stadt", um mal so ordentlich zu shoppen. Doch es ist wie verhext: Auf der Suche nach einem grob gestrickten, doch trotzdem figurbetonenden Rollkragenpullover musste ich kläglich scheitern.

Das hat man davon, wenn man immer Avantgarde sein möchte. In den letzten Jahren verbrachte ich viele Stunden in den Boutiquen damit, hochgeschlossene Pullis mit Zip zu suchen und habe mir eine ganz ordentliche Sammlung davon zugelegt. Doch heute sind in meinem begehbaren Kleiderschrank stinknormale Pullover en vogue! Und die sind wiederum nirgendwo zu finden. Stattdessen gibt es überall, richtig geraten, Reissverschlüsse und Knöpfe (vier Ausrufezeichen und ein "brrr" dazu!) en masse.

Was kann ich dafür, wenn die Welt immer Jahre hinter meinem unverwechselbaren Stil her hinkt! Es ist das große Pech der Avantgarde, dass ihre Begehrlichkeiten nicht immer erfüllt werden können. Ich bin masslos disgusted!

Insgesamt fällt auf: Figur steht bei Männern nicht auf der Agenda! Nein, übergroße Säcke, Zirkuszelte sogar soll man(n) tragen, oder aber auf eine kleinere Größe ausweichen. Bei einer Größe von 180cm muss ich plötzlich "M" tragen, bei manchen T-Shirts sogar "S", das ist kein Witz! Offensichtlich will man dem männlichen Part der Bevölkerung sagen: Du musst erst mal in Deine Sachen hineinwachsen, bevor Du aufmuckst! Man kriegt es ja täglich vor den Latz geknallt: Unwertes Leben soll arbeiten, nicht meckern!

Warum man also einen Gutteil der Bevölkerung kleiner machen will, indem man seine Klamotten größer macht, ist somit erklärt. Jawohl, die dicken Provinzjungs haben zusätzlich jeden Grund, ihre Wampe vor den Blicken anderer zu verstecken. Doch andere Männer, in Ehren und Anmut gealterte Fashion Victims nämlich, wollen zeigen: Hier, drei Jahrzehnte Gänsebraten und ich bin trotzdem noch vorzeigbar! Und das ohne jede sportliche Betätigung und ohne ein Leben in Askese. Einfach so gewesen! Wie zeigt man das der Welt? Ganz einfach: durch figurbetonende Kleidung!

Auffallend anders soll die Frau gekleidet sein: In den Schaufenstern der großen "Modeketten" werden sündige Dessous gezeigt, dass einem der Atem stockt, obwohl doch die Schaufensterpuppen ganz leblos sind. Geradezu schüchtern und zurückhaltend wirken dagegen die Schaufenster der professionellen "Schmuddelgeschäfte". Denn da "schauen" einem beinahe burkaeske Kleidungsstücke an, viele haben sogar noch goldig aufgedruckte Engelsflügel oder sind ganz harmlos verspielt mit so Puscheln dran.

Hat Eva Herman etwa schon gewonnen? Versucht nun auch der Einzelhandel, tradierte Rollenbilder mittels geschlechterdifferenzierter Kleidungscodes in das kollektive Bewusstsein der Bevölkerung einzubrennen? Die Frau, zuhause mit dem Kind, kochend am Herd und ihrem Mann immer zum Wohlgefallen?

Die zu weite Hose des Mannes beult sich unmerklich, wenn er des Abends ins gemütliche Heim kommt, erschöpft von der Arbeit dieses Tages. Denn es steht da so ein rattenscharfes Luder im sexy Outfit an der Kochplatte, und es wird heiss serviert. Wenn sie dann nicht endlich kommt, die langersehnte Geburtenwelle, um unsere Rente sicher zu machen, dann weiss ich auch nicht weiter! Doch Vorsicht: Wer nur neue Arbeitslose in die Welt schubst, der prellt sich am Ende um seine Rente!

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