Dienstag, 7. Juni 2011

Das Bedürfnis nach Schnaps: Das JobCenter ist nichts für Zartbesaitete!

Dass ALG2- Empfängern die kleine Pauschale für Alkohol gestrichen wurde, wirkt sich womöglich verheerend aus. Denn Alkohol kann durchaus ein Ventil für entstehende Aggression durch Kontaktaufnahme zu den JobCentern der Republik sein. In einem unfreiwillig freiwilligen Selbstversuch habe ich nun festgestellt, dass ganze zwei Einladungen völlig ausreichen, um einen vernunftbegabten Menschen zur Weißglut zu bringen.

Wer sich erinnern mag: Vor acht Wochen habe ich meinen superdämlichen Job gekündigt, auf ärztliches Anraten übrigens. Meinen Job bei dieser bekloppten Firma im Bildungssektor hätte auch ein wartungsfreier Automat übernehmen können, zumal der sogenannte Bildungsdienstleister bzw. dessen Geschäftsführerin Frau A., in etwa ein Gespür für das Personal hat wie ein Kehrbesen für die Probleme von Küchenabfällen.

Nach und nach ging mir dort die Luft aus, und man möchte den Umstand so beschreiben: Überforderung im Beruf durch intellektuelle Unterforderung unter Beibehaltung völliger beruflicher Perspektivlosigkeit und Unterlassung jedweder innerbetrieblichen Aufstiegsmöglichkeit. Muss nicht erwähnt werden, dass das Gehalt branchenüblich schlecht war und das Arbeitsklima einer Mischung aus Ahnungs- bzw. Motivationslosigkeit, Unzufriedenheit, Überlastung und Arglist entsprach.

Grundsätzlich sollte gelten: Wer kündigt, tut das nicht ohne Grund! Vor ein paar Jahren las ich in einer Umfrage, dass 70% aller Arbeitnehmer unzufrieden mit ihren Jobs sind. Dass sie nicht kündigen, liegt wohl daran, dass sie lieber einen Sch...- Job haben als gar keinen; oder dass sie angst haben, eine Sperre durch Arbeitsamt zu bekommen. Ich frage mich, was den Arbeitnehmern eigentlich alles passieren muss, bevor ihnen das egal wird?

Nun, ich habe meine berufliche Integrität voran gestellt, vorher natürlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft, eine andere Anstellung zu finden, und sehe mich nun der Situation ausgesetzt, eine dreimonatige Sperre durch die AA zu erhalten, was mich direkt in die Arme des örtlichen JobCenters treibt. Dort fällt zunächst auf, dass keiner von den MitarbeiterInnen dort die Regeln selbst macht und man deswegen jedes noch so schwachsinnige Formular ausfüllen muss, in meinem Fall den Bogen EKS zu den selbständigen Einkünften. Im Grunde muss ich jetzt nicht erklären, wo es hakt. Aber: Es hakt! Natürlich macht die Sachbearbeiterin die Regeln nicht selbst und kann deshalb nichts dafür.

Paranoide Leute wie ich fragen natürlich zuerst nach, wie sich ein Mensch in seiner Berufswahl überhaupt für einen Job entscheiden kann, in dem man nie etwas für irgendwas kann, weil man ja selbst die Regeln nicht macht. Verwaltungsfachangestellte und alle anderen MitarbeiterInnen in den JobCentern und Agenturen für Arbeit spielen in einem System mit, das vorgibt, keinerlei Spielraum mehr für individuelle Entscheidungen mehr zu haben. In einem solchen Arbeitsverhältnis müsste man ja tatsächlich angst haben, von einem Automaten ersetzt zu werden.

Oder man muss selber einer werden. Sachbearbeiter sind arme Würstchen. Im Grunde können sie einem leid tun. Man arbeitet in einer Institution und wird zum bedingungslosen Opportunismus herangezüchtet. Wer darunter nicht leidet, der muss sich wohl oder übel in einen Zyniker verwandeln. Alle anderen müssten eigentlich den Job kündigen. Automatisierte Prozesse führen dazu, dass z.B. Asylbewerber in ihre Herkunftsländer oder in angeblich sichere Drittstaaten abgeschoben werden. Menschen entscheiden in Ämtern nach Aktenlage und nicht nach ihrem Gewissen.

Ich könnte solche Entscheidungen nicht treffen. Ich würde mich aber auch nicht hinter irgendwelchen Bestimmungen verstecken (können). Das liegt mir nicht. Dass es aber solche Menschen gibt, die automatisierten Prozessen ein Gesicht geben, ohne jede Möglichkeit zur persönlichen Intervention zu haben, macht mich zumindest froh, in einem weitgehend demokratischen Staat zu leben. Man mag sich nicht ausdenken, was diese Menschen in einer Diktatur anrichten könnten. Etwas Widerstand gehört zum System! Auch und vor Allem in einer Demokratie.

Also hat man als Hilfesuchender dieses angehörige System auch durchzustehen. Mit all seinen Demütigungen und Unterstellungen. Das System unterstellt jedem Antragsteller zunächst Missbrauch von Leistungen. Es kehrt die Beweislast um. Es entmündigt und macht aus einem Hilfesuchenden ein variabel einsetzbares, immerfort verfügbares Wesen. Es liefert den Menschen völlig der Verwertungslogik aus. Biographie, persönliche Gründe, Überzeugungen: spielt alles keine Rolle! Es zählt nur der unbedingte Wille zur Leistung und die völlige Unterwerfung.

Man sitzt in diesen Büros mit all diesen Bürokraten, und am Ende hat man das bestimmte Gefühl, es würde einem besser gehen, wenn man seinem Gegenüber einen Arm brechen würde. Oder sollte man vielleicht doch lieber das Gebäude in Brand setzen? Reines zivilisatorisches Training lässt diese Gedanken zuerst absurd erscheinen und dann verschwinden. Doch die Wut bleibt, und wenn man die nicht ausagieren kann, dann bleibt doch nur noch der Alkohol! Ich hatte jedenfalls noch nie in meinem Leben schon so früh, um 9Uhr morgens, das Bedürfnis, einen Schnaps zu trinken. Bis zum heutigen Tag.

Und deswegen ist es eine große Ungerechtigkeit, dass der Regelsatz für ALG2 keine Pauschale mehr für Alkohol beinhaltet. Ich sehe brennende JobCenter und MitarbeiterInnen mit eingegipsten Armen.

2 Kommentare:

mrs.hands hat gesagt…

überhaupt scheint es so zu sein, dass man immer dann alkohol braucht, wenn man kein geld dafür hat. is doch bei meiner arbeit auch so. mal davon abgesehen, dass ich jetzt sowieso nich darf. es besteht ja noch hoffnung für den kleinen erdenbürger, dass er nicht in diese frustspirale gerät. (haha *hust*)

holz e. von bald hat gesagt…

Tja, befriedigt mich nicht wirklich, dass es anderen nicht viel besser geht... stärkt nur meine Empathie. Aber das ist ja dann auch schon mal was.
Die Frage ist: lasse ich mich wieder in den erstbesten Job reindrücken oder warte ich auf was G'scheites? Muss mich morgen entscheiden. Grrrrr... wenn man nicht vollends überzeugt ist und im Grunde nur die Sesselpupser vom JC und AA loswerden will... Hihi: AA loswerden... Ich habe mich wohl zum Kleinkind zurückentwickelt, vor lauter Entmündigung