Dienstag, 7. Dezember 2010

Mit Vollgas in die Vollkaskogesellschaft! Dasist jetzt gar nicht komisch!

Wer schaut Wetten dass...? Eine ganze Menge, sollte man meinen, denn die Sendung läuft nun schon seit fast 30 Jahren. Wer braucht Wetten dass...? Wahrscheinlich niemand außer dem ZDF.

Die Sendung ist exakt ein Spiegel unserer Gesellschaft, die vom Einzelnen immer noch mehr ein Quäntchen mehr verlangt. Die Gesellschaft quetscht dem Einzelnen das letzte Stückchen Leistung aus dem begrenzten Körper und Geist. Und wenn er dabei verunglückt, wird selbst sein Fall noch gewinnbringend vermarktet - ideell wie auch monetär.

Man denke an die an ihrem Leben gescheiterten Amokläufer, die man gerne gebraucht, um sogenannte Gewaltspiele und -filme zu diskreditieren (und damit explizit vergesellschaftlichte Gewalt(en) ausblendet). Oder an den Arbeitnehmer, der sich zum finalen Herzinfarkt schuftet (ein doppelter Held: ein Held der Arbeit, der auf die Rente verzichtet).

Jetzt eben auch der Wettkandidat, der in der letzten Sendung von Wetten dass...? verunglückt ist und womöglich gelähmt bleibt. Muss man sagen: selber schuld? Oder ist er nur ein Opfer einer leistungsorientierten Gesellschaft? Hätte er vor sich selbst geschützt werden müssen, indem man seine Wette schlicht verbietet? Hätten noch stärkere Sicherheitsmaßnahmen den Unfall verhindert? Muss gar die Sendung abgeschafft werden?

Mit diesen Fragen quält sich nun die Öffentlichkeit, und paradoxerweise gesellt sich zur Leistungs- die Vollkaskogesellschaft. Was nichts anderes heißt als: alles bringen muss man zwar schon, aber dabei ist jedes Risiko auszuschließen. So geht das aber nun mal nicht: Denn solange alles gut geht, wird noch gejubelt, doch wenn es kracht, muss immer jemand dafür büßen. Selber schuld!

Zum Schutze des Einzelnen ist so vieles verboten, was Spaß macht: einfach so in der Spree oder in einem anderen Gewässer baden? Viel zu gefährlich und verboten! an Hochhäusern hochklettern? einen Springbrunnen betreten? Verboten! wild campen und Lagerfeuer? Alles muss streng reglementiert werden. Die Freiheit des Menschen endet dort, wo die Freizeit anfängt!

Und so kann man sagen: Die Entscheidung des Wettkandidaten war eine bewusst getroffene. Über die Risiken war er sich im Klaren. Mit einem Unfall gerechnet hat er nicht. In seinem Eifer, der Gesellschaft sein Leistungsvermögen zu präsentieren, liegt die Sehnsucht nach gesellschaftlicher Akzeptanz. Das mag zwar dumm sein - aber seit wann ist Dummheit verboten?

Die Sendung deswegen zu verbieten, weil sie Menschen vorführt, die an ihre Grenzen gehen wollen, wäre vollkommener Quatsch. Dann müsste man auch Regierungen verbieten, die Soldaten zu einem bloßen Einsatz schickt und sie in Zinksärgen aus einem Krieg wieder herausholt. Journalisten dürften nicht mehr in Krisengebiete einreisen. Man müsste allen Menschen mit der Begründung, die Welt sei zu gefährlich, verbieten, ihre Häuser zu verlassen.

Das Leben ist und bleibt riskant. Ob das Risiko nötig oder unnötig ist, sollte der Einzelne selbst entscheiden dürfen, solange er nur sich selbst gefährdet. Kritisieren aber darf man eine auf Leistung getrimmte Gesellschaft. Jeder Fortschritt ist zwar eine Leistung an sich, aber Leistung ist gewiss kein Fortschritt im Allgemeinen!

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