Montag, 7. Juli 2008

FreundInnen 2.0! Social Networking geht auch analog!

Mein Großvater pflegte in seinen letzten Monaten Kontakte zu seinen Eltern und alten Freunden, die freilich längst verstorben waren. Kurz zuvor war ihm diese wesentliche Tatsache noch bekannt, doch nun schrieb er Briefe, die er den Göttern sei dank sofort wieder vergaß. Nur wenig später freute er sich über die wegen Unzustellbarkeit zurück gesendeten Exemplare, standen auf deren Umschlag doch die Namen alter Freunde und Verwandten. Man dachte eben immer noch an ihn, und das rührte ihn.

Wer kennt das nicht? Jeder neue Abschnitt im Leben eines Menschen wird besiegelt mit dem Schwur, die Menschen aus dem vorherigen Abschnitt niemals zu vergessen. Man bleibe in Kontakt, auf jeden Fall, wie es sich gehöre. Kaum ist aber der Umzugswagen bepackt, gehen sämtliche, personenbezogene Daten auf geheimnisvolle Weise verloren. Man sieht liebgewonnene Menschen zuerst selten, später dann gar nicht mehr. So ist das, wenn sich Menschen im Laufe der Zeit stetig unterschiedlich verändern und am Ende gar keine Gemeinsamkeiten mehr übrig bleiben.

Leicht oberflächliche Exemplare der Gattung Mensch planen ab einem bestimmten Punkt in ihrem Leben ihre Karriere, deren Verlauf so etwas wie FreundInnen nicht mehr berücksichtigen kann. Wer Tag und Nacht an so wichtigen Dingen wie die eigene Unersetzlichkeit respektive Unersättlichkeit arbeitet, für den wird die Pflege liebgewonnener Bekanntschaften zum Dauerstress. Zudem bremsen einem alte FreundInnen stetig aus, und daher ist es viel besser, Netzwerke von nützlichen Menschen um sich herum zu bilden.

Nun ist der nützliche Mensch nicht immer ein Freund, er neigt möglicherweise auch deshalb dazu, seine Tentakel aus der gemeinsamen Schnittstelle zurück zu ziehen. Mit etwas Pech hat man am Ende zwar eine vorbildliche Karriere, aber leider keine FreundInnen mehr, bei denen man protzen oder über den Stress abjammern kann. Männer lassen sich dann gerne von verständigen Nutten dominieren, aber was bleibt den Frauen? Die Flucht zu den Prostituierten ist immer noch eine Domäne des männlichen Berufszwerges. Frauen kramen da lieber in den Karteikarten verlorener Seelen und reaktivieren pausierende Zuneigungsbekanntschaften.

Meine liebe Frau C. wird dieser Tage häufig von AnhängerInnen der sogenannten Networking-Plattformen angemailt. Man suche den Kontakt zu ihr und sie solle sich doch bitte bei „Wer kennt wen?“ und ähnlichem Kroppzeug anmelden. Alte, längst vergessene Freundinnen sind wohl berufliche Aufsteigerinnen geworden, sind aber darüber wohl emotional völlig verarmt. Nun suchen sie nach alten Freunden. Leider trauen sie sich nicht mehr, das Objekt ihrer Begierde direkt anzusprechen, und so nimmt man den indirekten Weg.

C. hat dazu eine besondere Meinung: Wer mit ihr Kontakt aufnehmen wolle, solle die doch bitte schriftlich oder telefonisch tun. Es gäbe immer irgendwelche Möglichkeiten, an die nötigen Informationen zu kommen. Wer diese nicht suchen wolle, der sei einfach zu faul und damit sowieso nicht erwünscht. Und viel besser sei es sowieso, den Kontakt einfach zu halten, statt sich nach Jahren der Vernachlässigung ganz unverschämt wieder in ihr Leben drängen zu wollen. Man sei ja schließlich kein Sozialdienst für sozial verkrüppelte Menschen. So in etwa hat das C. formuliert. Und ich pflichte ihr bei.

Keine Kommentare: