Freitag, 18. April 2008

Kleine Stadt, kleine Bewegungen! Wenig Mannheim, großes Gewicht!

Der Mensch treibt Sport, weil er kein natürliches Leben führt. Der Arbeitsalltag lässt ihn körperliche Tätigkeiten nur einseitig betreiben, und dieses so entstehende Defizit wird durch das Training bestimmter, untrainierter Körperpartien kompensiert. Man könnte sagen, dass Sport der Katalysator der Leistungsgesellschaft ist.

Die meisten Menschen betreiben Sport, weil sie zu dick sind. Und weil sie endlich wieder ein Gefühl für ihren Körper bekommen möchten, das ihnen im Alltagseinerlei abhanden gekommen ist. Das Bedürfnis nach Sport ist ein Zeichen körperlicher Unausgeglichenheit. Kein Wunder, wenn sonst jeder Pfad, der im Leben begangen werden möchte, widernatürlich mit dem KFZ gefahren wird.

Als ich noch in Berlin lebte, betrieb ich keinen Sport. Das war gar nicht nötig. Meine Arbeitswege waren so lang, dass ich fahrradfahrenderweise fit blieb. Und das nächstbeste Café zum Hinfläzen war ca. 1km von meiner Wohnung entfernt, so dass der Latte Macchiato schon verdaut war, bevor ich ihn überhaupt trank. Auch das hektische Treiben in der Stadt und die dauerhaft finanzielle Klammheit schaffte Kalorien beiseite.

Tatsächlich ist Berlin riesig. Von Neukölln im Süden nach Wedding im Norden kann mit dem Fahrrad 20km weit und mehr fahren, und das ist alles noch dichtbesiedelte Innenstadt. Das Verhältnis zu den Fußwegen steigt mit den Wegen, die man mit dem ÖPNV zurücklegt. Da läuft man gerne auch mal drei Kilometer, nur weil es sich nicht lohnt, das Fahrrad dafür auf- und wieder abzuschließen.

In Mannheim ist das anders. Mannheim ist geradezu mickrig im Vergleich zu Berlin. Alles ist zu Fuß zu erreichen. Dass Mannheim trotzdem eine Großstadt ist, liegt an einem simplen Trick: Es werden einfach alle Kuhkäffer und Inzestsiedlungen in der Umgebung dazugezählt, und schon passt es. Mannheim ist genau gesehen eher eine Verbandsgemeinde als eine Großstadt. Wenigstens hält hier ein ICE. Mal sehen, wie lange noch!

Es kann kein Zufall sein, dass ich, seit ich in Mannheim lebe, 6kg zugenommen habe. Mir fehlt es hier einfach an Bewegung, ich habe kaum Auslauf. Alles ist in Sichtweite. Es lohnt sich kaum, irgenwohin zu laufen, wenn man doch eben mal kurz 'rüberlangen kann. Faktisch braucht man in Mannheim überhaupt keinen ÖPNV, geschweige denn ein Auto. Soll ich dereinst die Blumen verreister Bekannter gießen, spucke ich einfach 'rüber in den Blumentopf. So leicht ist das.

Okay, meine liebe Frau C. aka BionicWoman kocht vorzugsweise mit Sahne und Käse, und ich habe mich dementsprechend angepasst. Das sind natürlich Dickmacher. Dafür wird aber kaum noch Fleisch verzehrt, da meine liebe Frau C. Vegetarierin ist. Aber gegessen habe ich auch in Berlin, allein daran kann es also nicht liegen. Auffällig ist allerdings, dass viele MannheimerInnen etwas rundlich und sehr sehr bequem sind.

Hier tickt die Uhr eben etwas langsamer, und über die Geschwindigkeit der Eingeborenen habe ich ja bereits Bücher verfasst. Was bleibt mir jedoch, der ich einen Anzug nach dem anderen in die Schämecke hängen muss, weil ich nicht mehr hineinpasse? Wenn sich mein Bauchspeck bräsig über den nicht mehr nötigen Gürtel wölbt, sobald ich mich aufrecht hinsetze? Soll ich kapitulieren und neue Kleidung erwerben? Ja bin ich denn Krösus?

Also muss ich wohl oder übel Sport treiben. Zur Zeit kann man mich jeden 2. Tag durch die Neckarpromenade hetzen sehen, verzweifelt mit der Wampe kämpfend. Was ist geschehen? Bin ich nun endlich in der Leistungsgesellschaft angekommen? Man kann ja schließlich nicht ewig dagegen ankämpfen. Dennoch stimmt es mich irgendwie traurig, dass mein Körper durch Widerlichkeiten wie Sport gestählt werden soll, wo doch sonst das Selbst das Sein bestimmen sollte!?

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