Freitag, 20. März 2015

Das Leben ist schön und bietet kostbare Erlebnisse! Heute: Baby-SUV und aromatisierende Kinder!

Ja fein, das Wetter ist heiter und auch etwas Wärme dringt an meine gefrostete Seele, auch wenn ich vor lauter Büro davon wenig herausbekomme. Dann quetsche ich ein Quäntchen Zeit in ein Schnapsglas und sitze, schwupps, vor meinem derzeitigen Lieblingscafé. Nun, so warm ist es um Vier doch nicht mehr, trotz Sonnenbefall, und so sitze ich, schwupps, drinnen, schnappe mir eine Zeitung und warte darauf, worauf ich mich am meisten freue:

Auf Eltern und ihre Kinder. Es ist ganz wunderbar, ganze Sippen von überforderten oder scheißegalen Eltern mit ihren herrlich verzogenen Kindern jeden Alters zu beobachten, wie sie plärrend und oder hektisch ins oder vors Café einschlagen wie ein mit Alien-DNA verkeimter Meteorit. Es treten auf:
  • Das ein-Meter-große Kind mit der ebenso großen Eistüte, wo man nicht weiß, wer wen schlussendlich verspeisen wird
  • die an fremde Café-Tische ungefragt herantretenden Kinder, die den Kaffee ganz hervorragend zum Schwappen bringen können. Wozu noch Telekinese betreiben oder Poltergeister rufen? Schaff' Dir Kinder an, dann hast Du beides!
  • Eltern, die ihre plärrenden Kinder hektisch im Café herumtragen und damit das Kind zwar nicht beruhigen können, dafür aber unter Garantie die Kopfschmerzgrenze der anderen Gäste auf ein gerechteres Niveau senken können
Den Vogel hat heute eine trächtige Mutter in Begleitung ihrer besten Freundin (?), zweier Kleinkinder mit Tretrollern untendran, eines davon mit bis zum Hals vollen Windeln, sowie einem Kind im leichenwagenfarbenem Kinder- SUV. Die Kinder fahren mit den Rollern ein, direkt bis zur Spieleecke, die Mutter versperrt mit ihrem SUV den Durchgang links von der Theke, während sie und ihre Freundin (respektive Erzieherin? Au-Pair-Milf?) die Theke in Beschlag nehmen. Habe ich erwähnt, das beide Erwachsene (?) einen Rucksack tragen?

Andere Gäste drängen sich zwischen meinem Tisch und dem Kinderwagen vorbei, die Kinder in der Spieleecke zerlegen ein Magnetbuchstabenspiel, das kleinere aromatisiert vor sich hin und die Mutter samt Freundin (Haushälterin? Yoga-Beauftragte? Natur-Kosmetik-Guru?) macht Pause vom vielen Erziehen und lässt sich jedes Kuchenstück einzeln zeigen, als sei sie im Schuhgeschäft. Die Freundin (Lebenspartnerin? Gouvernante? Sozialassistentin?) schnappt sich das erste Gedeck aus Kaffee und Kuchen und ruft eines der Kinder, dass sie selbstredend völlig ignoriert.

Na dann macht ja eine weitere Aufforderung wohl wenig Sinn. Abgang Freundin (Liebhaberin? Tupper Ware - Verkäuferin? Haushaltshilfe?), bleiben noch die Mami, zwei Kinder mit Tretrollern, ein überdimensionierter Kinderwagen mit Automatik-Getriebe, Allradantrieb und Kind darin. Besorgt betrachtet der Wirt die Spieleecke und das angerichtete Chaos, Magnetbuchstaben lernen fliegen, und da wagt das Monster tatsächlich das Wort an die Kinder zu richten: Na? Räumt ihr das nachher wieder weg?

Die Mutter sagt: klar räumen die das wieder weg! und geht hin und sagt ihren Kindern: räumt ihr das bitte weg? Das allerdings scheint eine noch unbekannte Wortfolge zu sein, weshalb die Kinder nur verdattert schauen. Zur Verdeutlichung hebt Mami ein paar Buchstaben auf und legt sie in die zugehörige Schachtel. Das größere Kind durchschaut die Intention, nimmt die Schachtel und leert sie wieder aus.

Da ist es wohl einfacher, die Spielsachen selber aufzuräumen, sagt sich die Mami. Sie sagt sich aber auch: Halt, Moment mal, wer ist denn hier der Dienstleister? Ich habe die Unordnung nicht gemacht, meine Kinder wollen sie nicht beseitigen, also lautet die logische Schlussfolgerung: Der Wirt muss aufräumen!

Denkt's, tut's also doch nicht, nimmt ihren Kaffee und ihren Kuchen, räumt den Kinder-SUV umständlich aus dem Weg Richtung Ausgang, die Kinder mit den Tretrollern hinterher, nicht ohne noch einmal in der Tür stehen zu bleiben und mit den Kindern ausführlich den weiteren Verlauf des Nachmittags zu erörtern. Partizipation wird nämlich groß geschrieben, in der Erziehungsbranche.

Ich habe mich bis dahin wirklich und wahrhaftig amüsiert und auch manchmal leise kichern müssen. Als ich mich dann wieder dem Lesen widmen wollte, dachte ich erst an ein Satiremagazin. Es war allerdings die TAZ, der ich unter dem Einfluss guter Laune zwischenzeitlich die Ernsthaftigkeit abgesprochen hatte. Obwohl: Der Titel heute war tatsächlich Satire!

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