Sonntag, 11. Januar 2015

Alles soll kaputtgehen! Mobilfunk zuerst, dann das Internet!

Mögen die Funknetze bersten und nimmer wiederkehren!
Das steht zum Gruß und zur Mahnung an mich geschrieben, wenn ich mein Mobilfunkgerät, unzutreffend verniedlichend: Handy, starte. Vor Jahren hatte ich es so eingerichtet, damit mich keine Firma grüßt, sondern mein Verstand in wacheren Zeiten. Das Blut, dass an meinem Mobilfunkgerät klebt, ist übrigens bereits getrocknet, so lange besitze ich es schon. Ich gehöre definitiv nicht zu der Zielgruppe, die technisch immer ganz vorne ist.

Irgendwann einmal, vor eigentlich gar nicht so langer Zeit, muss ich geglaubt haben, dass ich dringend ein Handy brauche. Damals wurden die Telefonzellen in bundesdeutschen Bahnhöfen vom Münzelefon zum Kartentelefon umgebaut. Ich finde Chipkarten höchst verdächtig, daher dachte ich, auf Mobilfunk auszuweichen sei sicherer und weit weniger verfolgbar.

Ein Trugschluss, wie wir nicht erst seit kurzem wissen. Besser wäre es gewesen, die Münzen wären geblieben. Dann hätte ich auch kein Mobilfunkgerät gekauft, mit dem ich vom Bahnhof aus anrufe, damit irritierte Gastgeber mich zu dem Zeitpunkt dort abholen können, zu dem die Bahn gedenkt, mich dort abzusetzen. Kleingeld kann man sich immer wechseln lassen und man fasst sich mittels Münzvariante und mangels Flatrate telefoninhaltlich kurz.

Es hat aber schon seit langer Zeit keiner mehr die Zeit, mich von einem Bahnhof abzuholen. Denn es hat sich leider herausgestellt, dass ein Mobilfunkgerät, mit dem man anrufen kann, auch voraussetzt, dass andere angerufen werden können. Ich verurteile das, denn seit diese Teufelsdinger an jedermann Hand zu kleben scheinen, wird jedermann auch permanent angerufen und von Terminen und Ortsvorschlägen oder sogar persönlichen Problemen belästigt.

Nur: Die wenigsten Menschen scheinen damit zu hadern! Wenn sie gerade nicht andere mit ihren Problemen, Orstvorschlägen und Terminen belästigen oder von anderen belästigt werden, dann spielen sie Spiele mit Vögeln und Zeug oder simsen sich gegenseitig Mist auf's Display. Ich verstehe diese Welt nicht mehr. Dabei gehe ich doch erst auf die 50 zu?

Ich wuchs in Zeiten auf, in denen nur Chefs von große, traditionellen Familienunternehmen über Anrufbeantworter verfügten (selbst Vorstände gab es noch nicht) und Funktelefone, für's Feld entwickelt, im Kampfeinsatz noch mit beiden Händen getragen werden mussten, mit einem zusätzlichen Mann mit Akkumulator auf dem Rücken als Sozius.

Ich gewöhne mir gerade an, mein Mobilfunkgerät so wenig wie möglich auszutragen und auch nicht immer zu reagieren, wenn mich jemand anklingelt. Ach was, selbst an mein Festnetz gehe ich selten, und private Mails beantworte ich erst nach Tagen, Wochen, Monaten, obwohl ich jeden Tag nachschaue. Ich entschleunige mich durch Entziehung.

Denn ich will meinen Penis nicht verlängern lassen, außerdem habe ich Angst vor Geld. Sonst würde ich selbstverständlich allen Prinzen aus afrikanischen Staaten helfen, ihr Geld nach Deutschland zu bringen. Ich will auch keine Aktien kaufen, das versuche ich schon seit längerem den Mitarbeitern einer schweizer Anlageberatung zu erklären, die mich trotzdem weiterhin ungerührt anrufen.

In den schwachen Momenten, wenn ich trotz mir unbekannter Nummer rangehe, druckse ich herum und sage, hmm nein, sorry, will nicht, hab' schon... nee, hab doch nicht, will keine hohe Rendite, wenn Natur und Mensch darunter leiden müssen, because of fucking Wachstum und fucking Finanzmärkte! Und Schwupps, will der eine eine Grundsatzdikussion, und ich will keine Zeit mehr für dieses Gespräch haben müssen.

Ansonsten dienen Mobilfunkgeräte und Internet nur dazu, die Arbeitszeit künstlich in den Abend zu verlängern oder die Unzuverlässigkeit anderer zu entschuldigen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Aber früher, zu Kriegszeiten oder kurz danach, das hat man sich Tage vorher verabredet und sich dann auch am ausgemachten Platz getroffen. Zum Teil mit erheblichen Verspätungen, aber ein Wort war noch ein Wort und ein Fehlen unverzeihbar.

Heute sind Verabredungen nur noch vage Optionen zur Optimierung einer ohnehin geleasten Freizeit, in der man ständig neue Prioritäten setzt und in der der vormals allerbeste Freund im Ranking plötzlich ganz nach hinten fallen kann, weil irgendwo Biokäse im Angebot ist. Eine Verabredung aber ist verbindlich!

Ohne Verbindlichkeit ist das ganze Leben Mist. Ohne Verbindlichkeit können wir gleich wie die Einzeller der nächstbesten Nahrungsquelle hinterher quallern. Einzeller brauchen keine echten Freunde oder Sexualpartner, die teilen sich einfach, wenn sie satt sind. Aber dafür gibt es ja schon wieder FaceBook.

Mir täte es wirklich kaum leid, wenn das Funknetz bersten würde. Viele Prozesse des gesellschaftlichen Lebens würden dann wohl nicht mehr so funktionieren, aber vielleicht anders. In Vorzeiten des Mobilfunks sind auch nicht mehr Leute verhungert oder verunfallt. Arbeitgeber haben mehr zittern müssen, wenn die Mitarbeiter unerreichbar waren. Heute zittern die Arbeitnehmer. Da gibt es einen Zusammenhang, glauben Sie mir!

Auch das Internet kann von mir aus weg, diese Zeitfalle, und obwohl ich dort gerne meinen Senf hinzugebe, täte es mir we...

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