Sonntag, 6. Juli 2014

Trashlektüre orwellscher Ausmaße: Drei Farben Schwarz, Rot, Gold für die Jubeldeutschen!

Und sie winkten mich heraus aus der unbefahrenen Straße, sie hielten eine Kelle rechts heraus also, und ich brachte mein Fahrrad langsam zum Stehen. Was ich um diese Zeit hier zu suchen hätte, auf offener Straße, fragte einer der Beamten, noch während er den Wagen verließ.

Scheiße, Tugendwächter, dachte ich noch. Doch da bekam ich schon alle meine Verstöße gegen die neue Doktrin verlesen. Dass mein Fahrrad über keine zulässige Beleuchtung verfügt, schien den Tugendwächtern gar nicht aufzufallen. Oder es interessierte sie nicht. Seit der neuen Doktrin interessiert ohnehin nur das Eine!

Einer ging zum schwarz-rot-goldenen Dienstfahrzeug zurück, wohl um meine Papiere zu überprüfen. Der andere fixierte mich mit Kabelbinder an einem Laternenpfahl und machte sich dann am Kofferraum zu schaffen. Er kam mit einem kleinen Koffer zurück.

Dich kriegen wir schon korrekt, Du Ketzer! Er öffnete das Köfferchen und kramte einen kleinen Pinsel hervor. Er bestrich meine Wangen mit den Farben der Bundesrepublik, Verzeihung: mit den Nationalfarben und behängte mich mit einer Alohakette selbem Farbspektrums. Ich wurde zwangsnationalisiert, mit aller Gewalt!

Der andere Tugendwächter hatte unterdessen meine Papiere überprüft und machte sich an meinem Fahrrad zu schaffen. Mit dem selben Kabelbinder, mit dem ich an der Laterne festgebunden war, befestigte er eine Deutschlandflagge daran. Über die Griffe drapierte er schwarzrotgoldene Söckchen.

Mir wurden noch einmal alle meine Pflichten als deutscher Patriot verlesen. Ich musste ebenso einen Eid auf die Nation, das Vaterland und die FIFA schwören. Dann erst wurden meine Fesseln gelöst und ich durfte weiterfahren. Nicht irgenwohin, selbstredend, sondern direkt zur nächsten Großleinwand, ohne Umweg!

Der Tugendwächter, der mich herausgeputzt hatte, zeigte mir auf seinem Smartphone den schnellsten Weg. Und keine krummen Dinger, Junge! Beim nächsten Mal schicken wir Dich sofort zum Feldkaplan Gauck, und der entsendet Dich in ein Kriegsgebiet seiner Wahl. Dort reicht es dann nicht mehr, auf eine Leinwand zu schauen und zu jubeln, um Deine patriotische Pflicht zu erfüllen.

Ich schwor ewige Treue und dankte den Herren Tugendwächtern für die Läuterung. Ich habe gesündigt und nun bereue ich. Kein Ding und kein Mensch kann mir meinen Glauben an die Nation und an die Große Mutti mehr nehmen. Führe uns zum Sieg, wir folgen Dir! Ich bin nun ein Jubeldeutscher, ein Guter!

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