Samstag, 24. März 2012

Equal Pay Day! Ich will auch endlich equal gepayt werden!

kriegswichtig: klare Verhältnisse
Das Statistische Bundesamt hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass Frauen immer noch 23% weniger Lohn als Männer erhalten. Sicher ist diese Einkommensdiskrepanz auch der immer noch geschlechterdifferenzierten Berufswahl und Wochenarbeitszeit sowie den unterschiedlichen Karrierezielen geschuldet. Vielleicht ist der eigentliche Skandal der, dass eben in den "klassischen Frauenberufen" viel zu wenig gezahlt wird. Männer, die ihren Weg dort hinein finden, können ein Lied davon singen.

Was in der Diskussion um Berufswahl und Chancengleichheit fehlt, ist ein nicht- chauvinistischer Ansatz in der Zuweisung von Geschlechterrollen. Vor ca. 20 Jahren gab es dann endlich eine Diskussion um den Unterschied zwischen biologischem und sozialem Geschlecht. Das biologische Geschlecht ist eine genuin auf primäre und sekundäre Körpermerkmale reduzierte Angelegenheit, in der, vereinfacht ausgedrückt, festgelegt ist, wo die Kinder herkommen (und wie sie gemacht werden).

Das soziale Geschlecht ist eine systemabhängige Festlegung individuell zu erwerbender Kenntnisse, Fertigkeiten und vor allem Verhaltensweisen und deren Zuweisung an das jeweilige biologische Geschlecht. Wieder vereinfacht ausgedrückt wird folgendes behauptet: (alle) Männer basteln gerne an Autos rum und (alle) Frauen kümmern sich am Liebsten um Kind und Haushalt. Da dieses Verhalten als (geschlechter-) konform gilt, wird es beständig in Familie, Kita, Schule und Erwerbsleben reproduziert, bis alle Beteiligten glauben, da sei schon was dran. Und wer dem nicht entspricht oder entsprechen möchte, wird ebenso entsprechend gemobbt.

Wie erbärmlich diese Selbsteinschränkung ist, lässt sich kaum in Worte fassen. Denn soziale Verhaltensweisen sind keineswegs ein Ergebnis eines biologischen Geschlechts. Diese Erkenntnis haben uns die Gender- Studies geschenkt, und die Gesellschaft hat sich dafür großzügig mit Büchern wie "Mann = Mars, Frau = Venus" sowie Mario Barth und diversen Päpsten bedankt. In der Emanzipation der biologischen Geschlechter vom konformen Rollenzwang hat es einen Rollback sondersgleichen gegeben. Dass Frauen fast weltweit ausgebeutet werden, liegt ja nun nicht an deren generell unterwürfigem Charakter, sondern ist allein der temporären Abhängigkeit von der Gesellschaft vor, während und nach des Gebärprozesses geschuldet. Ansonsten gilt: Was Vatikan, kann Mutti auch! (den Kalauer wollte ich schon lange mal unterbringen)

Doch ist es nicht so, dass männliche Babys automatisch auf den Bagger zukrabbeln und die weiblichen Babys auf die Puppe? Wollen wir die offensichtlichen (körperlichen) Unterschiede zwischen Mann und Frau wirklich nivellieren? So ähnlich hat es Frau von der Leyen, immerhin ehemalige Familienministerin, in einer Talkshow zum Thema "Weltfrauentag" ganz biologistisch ausgedrückt. Einzig Frau Weisband von den Piraten hatte dem etwas entgegenzusetzen, jedoch ganz ohne theoretische Termini. Aber dennoch, immerhin... Sie hat's gut gemeint und hat ja auch nichts Falsches gesagt.

Machen wir es doch wie Richard Sennett und schauen uns erst mal in unserem direkten Umfeld um. In einer meiner diversen Tätigkeiten u.a. in einer Grundschule wurde vor allem eines deutlich: Das Spektrum von biologischen Jungen und Mädchen ist unglaublich breit. Vom aggressiven über den moderaten bis hin zum introvertierten Jungen geht es (ab dieser Nulllinie) zum introvertierten über das moderate bis hin zum aggressiven Mädchen. Einfach gesagt: stopfte man das aggressive Mädchen in Jungenkleidung und schnitte ihm die Haare, dann könnte man äußerlich und am Verhalten gemessen, nicht mehr erkennen, dass das biologische Geschlecht eigentlich weiblich ist.

Beim introvertierten Jungen verhielte es sich genau so, trüge er Mädchenkleidung und sein Haar lang mit Schleife. Das Verhaltensrepertoire dieser Kinder ist so vielfältig, man möchte beinahe behaupten, es gäbe genau so viele Geschlechter, wie es Menschen gibt. Freilich werden die Kinder früh genug in ein Verhaltenskorsett gesteckt. Recht bekommen allein die verkorksten Jungs-Jungs (wild und aggressiv) und die Mädchen-Mädchen (brav und süß). Sie müssen sich nicht verändern, sind sie doch der heimliche Stolz der nicht minder (zwangs-) konformen Eltern: Hauptsache, meine Brut ist nicht homosexuell und fällt auch sonst nicht weiter auf!

Diese Einschränkung des persönlichen Verhaltensrepertoires aufgrund einer zufälligen Geschlechterzugehörigkeit stellt eine Zumutung für jeden denkenden Menschen dar. Würden diese völlig willkürlichen Zuweisungen endlich überwunden, gäbe es keine Überlegungen mehr zur Einführung von Frauen- Quoten und niemand käme auf die Idee, Frauen und Männern unterschiedliche Gehälter für die gleiche Arbeit zu zahlen. Einige wenige Unternehmen indes wollen erkannt haben, dass sogenannte weibliche Eigenschaften ihnen nützen könnten, weshalb sie sich dazu bereit erklärt haben, den Frauen bessere Karrieremöglichkeiten zu bieten.

Über eines muss man sich doch klar werden: Niemand kann eindeutig erklären, wie die unverwechselbaren Verhaltensmuster von Frauen oder Männern denn auszusehen haben. Der Versuch ist meist ein elendiges biologistisches Gebrabbel, allenfalls mit etwas Küchenpsychologie angereichert á la Frauen könnten nicht einparken und Männer fänden im Kühlschrank den Joghurt nicht. Und wenn ich den Joghurt dann doch finde UND einparken kann? Bin ich dann schwul, lesbisch oder gar intersexuell?

Insofern fand ich es zum gestrigen Equal Pay Day völlig ungerecht, dass Frauen einen 23%- Rabatt für ihre Getränke in den Kneipen bekommen haben. Zum Einen kann ich davon ausgehen, dass alle Frauen, mit denen ich gestern zusammen saß, deutlich mehr als ich verdienen (wahrscheinlich sogar zu Recht), zum Anderen kann ich ja noch nicht mal selbst ernsthaft behaupten, dass ich tatsächlich dem gesellschaftlich verbrieften Bild eines Mannes entspreche:

Ich arbeite am liebsten in Teilzeit, mag keine Autos und habe bezüglich meiner beruflichen Karriere keinerlei Ehrgeiz. Gemäß der vorherrschenden Logik wäre ich also eine Frau (wozu noch passt, dass ich wenig verdiene). Während die karrierebewussten, autofahrenden, Vollzeit arbeitenden und gut verdienenden Frauen eigentlich Männer sein müssten. Ich hätte den Rabatt jedenfalls beanspruchen können. Und damit ihn die Wirtsleute schneller ausrechen können, wäre der Gehaltsunterschied zwischen Mann und Frau, Ost und West, Friseur und Bankkaufmann auf 20% zu senken. Oder sogar ganz abzuschaffen! Soviel Ordnung muss sein!

1 Kommentar:

mrs.hands hat gesagt…

du kannst ja mal was schreiben über menschen, die ihren nachbarn hassen, weil der die wäsche in der falschen ecke des trockenboden trocknet. in IHRER ecke, da hatten sie das vorrecht drauf! schließlich wohnen sie hier schon seit 20 jahren. und der nachbar ist auch noch ausländer!

so was würd ich lesen!