Donnerstag, 23. Juli 2009

Sinnlose Zerstörung! Alles Schöne kaputt gemacht!


Natürlich müssen es Jugendliche gewesen sein. Sinnlose Zerstörung war's! Gleich drei Mal hintereinander hätten sie ihre Eisdiele am Stadtklinikum verwüstet, und jetzt habe sie einfach keine Lust mehr, den Wagen anständig aufzuhübschen. Nun gäbe es halt EinsZweiDrei-Einbauschränke und einen Kühlschrank, der leider die Sicht auf die Karte mit den Eissorten versperre. Das muss reichen! Die Jugendlichen, so schließt sie, machen einfach alles kaputt, was schön ist. Basta!

Nun, auf diese Diskussion lassen wir uns mit der alten Dame nicht ein. Tapfer erraten wir vier Eissorten, die wir uns auf zwei Waffeln pflanzen lassen und zahlen die sehr jugendgerechten zwei Euro dafür, verlassen aber alsbald die Szenerie, um uns ein paar Meter weiter auf eine der großzügig über die Fläche verteilten Parkbänke zu setzen. Die runden Luftschächte der unterirdischen Parkfläche erinnern uns an die Behausungszustiege der Morlocks aus H.G. Wells "Zeitmaschine".

Seien wir also einmal die oberirdisch lebenden, naiven Eloys und denken einmal in ganz kindgerechter Weise: Die Jugendlichen (wer sind denn überhaupt DIE JUGENDLICHEN?) machen also alles kaputt, was schön ist? Nun, woher kommt denn überhaupt ein Schönheitsbegriff, von wem wird er definiert und wie wird er vermittelt? Schönheit an sich ist eine individuell auf den Charakter angepasste Behauptung, um den Dingen zum materiellen noch einen ideellen Wert hinzuzufügen. So kann ein Gartenzwerg durchaus den Wert eines Gartens erhöhen - zumindest für den Eigentümer oder Besitzer.

DIE JUGENDLICHEN (die ja keineswegs individuelle Charaktere und deswegen ALLE gleich sind) finden andere Dinge schön, welche für DIE ERWACHSENEN oder DIE AUTOFAHRER oder DIE AUSLÄNDER überhaupt keinen ästhetischen Wert besitzen. Wenn DER JUGENDLICHE also etwas zerstört, dann weil er es wahrscheinlich gar nicht selber SCHÖN findet, und noch dazu weiß, dass ANDERE es SCHÖN finden und es genau deshalb zerstört werden müsse, zumindest aber zerstört werden könne. Das ist keine ästhetische Frage, sondern eine des gegenseitigen Respekts.

Von der Schönheit der Dinge
Natürlich würden DIE JUGENDLICHEN gar nicht zugeben wollen, etwas sei schön - denn dann wäre ja alles, was man gut findet, auch irgendwie schwul. Schwul sein aber ist nicht schön, sondern gilt in der sexuell noch nicht gefestigten Welt eines Teenagers (und auch bei vielen Erwachsenen) als KRANK oder einfach: SCHWUL! Woher mag das nur kommen? Es folgt ein kleiner Erklärungsversuch:

In der westlichen Hemisphäre wird der Wert des Materiellen über den ästhetischen gestellt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Wohnanlagen, die überall in Europa gebaut wurden und werden: Sie sind nicht schön, aber bewohnbar (in den Augen der Bauherren), ergo garantieren sie zwar Profit, verursachen aber bei genauerer Betrachtung Übelkeit. Dieselben Bauherren leben aber keineswegs in den von ihnen hingeschluderten Bauwerken (zumindest jene nicht, welche sich einen Sinn für Ästhetik leisten können).

Die Auffassung nun, der Mensch solle sich um den Beruf, die Familie und das Eigenheim kümmern, ist einzig und allein diesem Profitgedanken geschuldet: Was bringt mir etwas ein? Eine bange Frage. Kulturleistungen sind darin nicht formuliert. Erstaunlicherweise war uns der sogenannte "Urmensch" da sogar überlegen: Für ihn gab es keine Probleme, existenzielle Gegebenheiten mit Kulturleistungen zu verbinden. Die Pfeilspitze war idolisiertes Werkzeug und Kunst(Handwerk) zugleich, dessen Herstellung erlernt werden musste. Kultur ist hierbei der Motor der menschlichen Entwicklung gewesen. Einfache Reproduktion hingegen macht nur satt, lässt aber den Motor der geistigen Entwicklung im Leerlauf brummen.

Heute haben die Menschen TV zum Behufe der kulturellen Erbauung, das muss reichen. Die tatsächlich geleistete Arbeit ist weitgehend davon befreit, einen weiteren Wert als den der Beschäftigung um der Beschäftigung willens darzustellen, ist eine abstrakte Tätigkeit, mit der ein notwendiges Einkommen simuliert wird, das aber auch anderweitig zu erlangen wäre. Das ist kompliziert ausgedrückt, einfach gesagt ist dies so: Arbeit ist stupide und kein Mensch weiß genau, was er da überhaupt macht und wozu er es tut!

In einer solchen Welt ist kein Platz für Schönheit, und wo kein Platz für Schönheit ist, da ist auch keiner für Respekt. Es ist das pure Überleben in einer ansonsten nutzlosen, weil ausschließlich ressourcenverschleudernden Gemeinschaft. Sie produziert nichts von Wert, zerstört den Wert der Dinge sogar, da sie konsumierbar gemacht werden, nicht aber erlebbar. Ein Gegenstand ohne ideellen Wert ist ein toter Gegenstand, kalt und austauschbar. Der Konsument verliert den Respekt davor.

Fordert man bei DEN JUGENDLICHEN also einen Respekt vor DEM SCHÖNEN ein, dann fordert man etwas, was gar nicht gefördert wird. Der Sinn für Schönheit ist unterentwickelt, und wer als Kind noch Schönes produziert (Bilder, Blumensträuße etc.), der erntet zwar Dankbarkeit, eventuell aber auch Belustigung und den Hinweis, dass Beverly-Anne oder Paul-Eugen vielleicht trotz ihrer ästhetischen Weichlichkeit noch in ein Berufsleben hineinpassen mögen: Denn erst kommt die Arbeit, und dann das Hobby!

Alles, was also schön ist, ist nur ein schwules Hobby, das hoffentlich irgendwann einmal zugunsten einer SINNVOLLEN Tätigkeit aufgegeben wird. Bestenfalls wird Kreativität in der Kunst als Softskill für die Erwerbstätigkeit betrachtet. Wenn dem so ist, wird das sehr gerne gefördert. Man sieht sie vor sich, die Akademikereltern, wie sie ihre Kinder frühfördern, damit aus ihnen einmal voll verwertbare Leistungsträger für die Gesellschaft werden.

DIE JUGENDLICHEN indes sind ja nicht dumm und bemerken die Kälte und die Berechnung, und sie spüren auch, dass ihre Eltern tatsächlich aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt kommen. Sie merken, dass sie selbst nicht mehr gebraucht werden von dieser Gesellschaft, auch wenn sie ständig darauf vorbereitet und damit einsetzbar gehalten werden: Je weniger Jugendliche ausgebildet werden, desto mehr Berufsorientierungsmaßnahmen gibt es. Je kleiner die Perspektive, ein eigenständiges Leben führen zu können, jenseits staatlicher Gängelung, desto mehr Gängelung gibt es und desto mehr steigt der Leistungsdruck.

Schlaue Kinder entziehen sich dem und sind dabei viel realistischer als ihre Alten. Sie wissen: Selbst wenn wir alle gute Noten haben und ahnen, welchen Beruf wir ausüben möchten, gibt es längst nicht genug Platz für alle von uns. Wir müssten uns also gegenseitig Konkurrenz machen. Lieber aber hocken wir beisammen und vertreiben uns die Zeit. Das ist sozial! Manche von uns zerstören etwas, aber dies ist keine SINNLOSE ZERSTÖRUNG. Es ist Zerstörung, welche durchaus einen Sinn hat: Wir bauen damit unseren Frust ab! Dies tun wir, indem wir die Werte unserer Alten in Stücke hauen! Denn wir haben den Respekt vor ihnen längst verloren!

1 Kommentar:

Lisbeth hat gesagt…

gut analysiert! erschreckend aber leider wahr!